Zugbegleitung von Asylflüchtlingen durch Ehrenamtliche des BRK Heroldsberg

Wir warten in München auf den Sonderzug nach Freilassing
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Leserreporterbericht: Mehr als 16 Teams des Kreisverbands ERH als Zugbegleitung

Nachdem der BRK-Kreisverband (KV) ERH schon mehr als 16 Teams mit drei oder vier Mitgliedern für die Zugbegleitung von Asylflüchtlingen gestellt hat, möchte ich auch ein paar Erfahrungen, Eindrücke und Informationen dazu schildern.
Zusammen mit meinem Sohn Julian (Teamleitung) und zwei "Mädels" von der Bereitschaft (B1) aus Erlangen und der Bereitschaft Baiersdorf habe ich Ende September die Zugbegleitung von Freilassing nach Hanau in Hessen übernommen. Ein zweites Mal war ich Anfang Oktober mit zwei weiteren Mädels der B3 aus Erlangen von Passau nach Uelzen in Niedersachsen unterwegs. Die Aufgabe der Teams besteht darin, die Asylflüchtlinge von Grenzorten in Bayern in andere Bundesländer bzw. Städte während ihrer Zugfahrt zu betreuen. Die Anreise und Rückfahrt erfolgt übrigens mittels Freifahrten in fahrplanmäßigen ICE-Zügen der DB, wobei die Teams immer eine Ausrüstung mit Notfallrucksack , AED (Defibrillator) sowie persönliche Ausrüstung für 24 h mit sich führen.

Was erwartet die Zugbegleitung an Betreuungsaufgaben

Es war für alle ein Abenteuer, denn keiner wusste genau, was uns an "Arbeit" oder "Aufgaben" erwartete. Im Gegensatz zu vielen anderen
Zugbegleitungsfahrten anderer Kollegen/innen im KV dauerten unsere Einsätze fast 24 oder mehr Stunden - meist ohne Schlaf, da wir vor dem Einsatz ab Freilassing noch 2 h Wartezeit bzw. Unterbrechung am Münchner Hbf hatten und dann in den Transportzug für Freilassing zustiegen oder in Passau einige Stunden wegen der ICE-Zugverbindung von Nürnberg nach Passau früher dort sein mussten.
An den Abfahrtsorten mussten wir uns erst einmal bei der Bundespolizei (BP) informieren, wohin überhaupt die "Reise" gehen sollte und wie viel Personen betreut werden müssten. Die genauen Zahlen und das Ziel wurde uns erst wenige Minuten vor Abfahrt mitgeteilt, wobei uns gesagt wurde, den Ankunftsort nicht den Asylflüchtlingen, die nur teilweise polizeilich erfasst waren, mit zu teilen. Wir haben übrigens unsere mehrstündige Wartezeit
vor Abfahrt auch mit einer Zugbegehung und Besprechung mit dem DB-Sicherheitspersonal, Zugführer/in sowie BP und Mithilfe bei Versorgung vor allem mit Deckenmaterial an die Mitreisenden überbrückt. Bedrückend war dabei die Enge an den Bahnsteigen des Gleis 1 an beiden Abfahrtsbahnhöfen; es gab die abgetrennten durch DB-Sicherheitsdienst und BP bewachten Bereiche für die Asylflüchtlinge sowie die Stände für gespendete Verpflegung und Bekleidung der vielen ehrenamtlich tätigen Helfer aus beiden Orten. Die Flüchtlinge warteten stehend oder auf Bierbänken sitzend auf ihre Abfahrt, während wir den Zug begutachteten. Dazwischen liefen die ankommenden oder abfahrenden normalen Reisenden; noch schwieriger war die Situation in Passau, da der Bhf. insbes. Bahnsteig am Gleis 1 gerade umgebaut wird und sich teilweise noch im Rohbau befindet.

Keine medizinische Betreuung bei der Abfahrt

Eine medizinische Betreuung vor Ort war nicht gegeben, obwohl ein paar Flüchtlinge über Kopf-, Bauch und Zahnschmerzen etc. klagten und nach Medikamenten fragten. Wir konnten nur auf medizinische Betreuung am Zielbahnhof verweisen, da dort Ärzte vor Ort die Flüchtlingstransporte zusammen mit anderen Ehrenamtlichen vom DRK, Feuerwehren und weiteren Hilfsorganisationen in Empfang nahmen. Leider waren außer einem Rettungsdienstteam, das uns in Passau und in Freilassing mit Einmaldecken versorgte, das ganze von der Bevölkerung gespendete Deckenmaterial bereits vor Ort verbraucht.
Die Flüchtlinge, ob registriert oder nicht, das wussten wir nicht, warteten in von der Bundespolizei abgesperrten Bereichen oder kamen mit Bussen zum Bahnhof, wo sie 45 Min. vor Abfahrt auf die bereit stehenden Waggons verteilt wurden. Wir haben uns vor allem um Frauen mit Kindern gekümmert und diese in bestimmte Wagenbereiche geleitet.

Fast 900 Flüchtlinge auf zwei Transporten nachts unterwegs

Im Transport (Regio-Express-Garnitur) mit Zielort Hanau - das Ziel war eigentlich Frankfurt/Main und wurde während der Zugfahrt geändert - waren 400 Flüchtlinge, darunter ca. 35 Kinder. Wir hatten zwei absperrbare Abteile für unsere Ausrüstung und für Getränke und Verpflegung. An Sandwich-verpflegung und Getränken war auf dem Transport nach Hanau viel zu viel geladen worden, sodass diese Verpflegung in Hanau an die dortige Verpflegungsstation überging. Übrigens wurde unser Zug im Hbf. Augsburg bei der Ausfahrt fehl geleitet und musste nochmals in den Bahnhof zurücksetzen, weil zunächst die falsche Strecke über Ulm nach Aschaffenburg statt über Ansbach nach Würzburg gewählt war. Dies führte natürlich wieder zu einer Zeitverzögerung von gut einer halben Stunde.

Ein Waggon zu wenig und kein richtiger Dolmetscher an Bord

Im Transport von Passau nach Uelzen hatten wir einen ganzen Waggon für uns und die begleitenden DB-Mitarbeiter, weil diese IC-Zug-Garnitur keine eigenen Abteile am Ende des Zuges aufwies. Die DB hatte vorgegeben, dass das gesamte Begleitpersonal immer am Ende des Zuges untergebracht werden müsse, um von dort die Absicherung und Betreuung einschl. Verpflegungsausgabe des gesamten Zuges vornehmen zu können. In diesem Waggon sollen aber keine Flüchtlinge transportiert werden. Im Zug waren 400 vorwiegend jüngere Erwachsene sowie 65 Kinder und Kleinkinder. Leider hatten nicht alle Flüchtlinge einen Sitzplatz; da es sich um vorwiegend Nachtfahrten handelte, schliefen ca. 100 vor allem männliche Personen mit und ohne Decken am Fußboden in Gängen, unter Kofferabstellecken und Waggonübergängen. Wir mussten mehrmals beim Zugdurchgang mit unseren Rettungssäcken am Rücken bei der Verteilung von Getränken, Malstiften und -papier und bei der Nachfrage, ob es Probleme gäbe, über viele liegende bzw. schlafende Personen steigen.
Auch hatten wir keine Dolmetscher an Bord; deshalb hatten wir uns beim mehrmaligen nächtlichen Durchgang zwei englisch und arabisch sprechende junge Männer ausgeguckt , die uns dann bei etwaigen Nachfragen etc. halfen.
Das DB-Zugpersonal hat sich wenig um die Flüchtlinge gekümmert; uns wurde nur gesagt, dass sie von der DB-Ltg. angewiesen seien, einen Kontakt mit den Asyl-Flüchtlingen aus gesundheitlichen Gründen zu vermeiden. Sie seien lediglich zur Sicherheit an Bord; alle Waggons waren nach außen versperrt, damit an den Zwischenaufenthalten keiner aus dem Zug aussteigen konnte. Weitere Aufgabe der Sicherheitsleute war, das Rauchverbot im Zug zu überwachen.

Viele Zwischenaufenthalte und längere Transportzeiten

Und wir hatten viele Zwischenaufenthalte bei beiden nächtlichen Zugfahrten, die teilweise eine halbe Stunde und mehr dauerten, da viele Lok- und Zugführer und Sicherheitspersonal der DB mehrmals wechselten und diese trotz Absprache mit der Leitstelle "Gemeinsames Melde- u. Lagezentrum (GMLZ) und DB nicht rechtzeitig vor Ort, d.h. am "Warte-Bhf" waren. Andererseits waren die Fahrtstrecken unterwegs lt. Aussage der Zug- und Lokführer geändert worden; so dauerten die entsprechenden Fahrten doppelt solange als veranschlagt. Die Ehrenamtlichen - sehr viel Personal aus vielen Rettungsorganisationen einschl. Dolmetscher etc. an den Ankunftsbahnhöfen - warteten deshalb auch mehrere Stunden auf die Zugankunft, weil sie viel zu früh zum Einsatzort gerufen worden waren.

Ankunft in Hanau und Uelzen

In Hanau wurden nach ca. 8 h Fahrtdauer die 400 Personen nachts gegen 02.00 - 04.00 Uhr in einer riesigen Sporthalle, die mit 1000 Feldbetten ausgerüstet war, untergebracht, wobei vorher noch ein medizinischer Check etc. durchgeführt wurde. In Uelzen - nach 17 h Fahrt - wurden die 465 Personen vom DRK und von weiteren ehrenamtlichen Helfern empfangen und ebenso nach medizin. Check und Registrierung in Übergangslager in der Umgebung oder nach Hamburg und Schleswig-Holstein mit Bussen weitergeleitet. Uns fiel aber auch auf bzw. wurde uns bei Gesprächen mitgeteilt, dass ca. 150 Asyl-Flüchtlinge auf eigene Faust mit DB-Zügen in andere Orte von Deutschland, Dänemark und Schweden fuhren, wenn sie nicht sogar von Freunden und Familienangehörigen vor Ort abgeholt wurden.

Medizinische Betreuung während der Fahrten

Auch bedankten sich einige wenige Flüchtlinge für unsere Tätigkeit, die auf der Zugbegleitung nach Uelzen einen medizin. Einsatz bei einer älteren Frau im Rollstuhl erforderte. Sie wurde vom DRK medizinisch versorgt und in ein Krankenhaus verbracht. Problematisch war dabei, dass die betreffende Patientin zusammen mit einer mehrköpfigen Familie unterwegs war, denn die Familienangehörigen wollten nicht von der Frau getrennt werden.

Wir haben andere oder neue Erfahrungen im Umgang mit Asylflüchtlingen als beim normalen Betreuungseinsatz gemacht

Wir waren alle schon bei Betreuungseinsätzen bspw. in der Erlanger Notunterkunft "Westbad" im letzten Jahr dabei, aber bei der Zugbegleitung haben wir viele andere Erfahrungen gemacht, die über einen normalen Betreuungseinsatz hinausgingen. Man muss viel zuhören, auch wenn man nicht alles versteht. Gerade das Verständigungsproblem war immer schwierig, denn wir haben mit englischem Wörterbuch, mittels Zeichensprache usw. versucht, Fragen und Probleme der Flüchtlinge zu lösen.
Einen starken Eindruck hat bei uns auch hinterlassen, wie erwartungsvoll die Menschen ihren Aufenthalt bzw. ihre Zukunft in Deutschland erleben. Wir selbst können uns kaum vorstellen, was einige Flüchtlinge auf ihrer meist mehrwöchigen Flucht bisher mitgemacht haben, denn nur wenige sind bzw. waren bereit, Auskunft über ihre Flucht zu geben.

Leider viel Verpackungsmüll in den Zügen

Leider konnten wir auch den Verpackungsmüll nicht gering halten, da die im Zug verbrauchten Getränke- und Verpflegungsverpackungen nicht immer in den vielen ausgehängten Müllsäcken landeten.
Uns fiel auch auf, dass viele junge Leute ein internetfähiges Smart-Phone besaßen und irgendwie immer im Kontakt mit Familie und/oder Freunden waren.

Geschäftemacherei mit Feldbetten etc.

Weiterhin war die Aussage von DRK-Organisationsleitungen vor Ort erschütternd, dass der Markt für Feldbetten und weiteren Notunterkunftseinrichtungen fast leer gefegt sei bzw. die Not durch "Geschäftemacherei" ausgenützt würde und man habe jetzt große Schwierigkeiten, die Unterkünfte ausreichend einzurichten, insbes. da Herbst und Winter vor der Tür stehen.

Dank an die Ehrenamtlichen der Hilfsorganisationen

Nach jedem Einsatz wurden wir von den DRK-Mitarbeitern gut verpflegt, Dank an diese; ebenso haben sie sich für unseren "vor allem nächtlichen" Einsatz gedankt und anschließend rechtzeitig zu unseren Anschlusszügen gebracht, sodass wir nach gut 24 h wieder Erlangen erreichten, unsere Ausrüstung im KV-Depot einlagerten bzw. an das nächste Erlanger Team "Zugbegleitung" übergaben.
Ich selbst werde demnächst nochmals eine Zugbegleitung mitmachen, denn im Gegensatz zu meinen Kollegen/innen im Sanitätsdienst, die noch im Berufsleben oder Studium etc. stehen, bin ich fast jederzeit als "aktiver Unruheständler" abrufbar, während die meisten "Extra-Urlaub" nehmen müssen, wenn nicht ein Wochenendtermin ansteht.

Dank an die Firmen in Eckental für Spende von Malutensilien

Zum Schluss möchte ich auch der Sparkasse in Eschenau, den Vereinigten Raiba Gräfenberg-Eschenau und Fa. Schreibwaren Hartinger aus E-Brand danken, die unsere Teams mit Malutensilien für die Flüchtlingskinder ausgestattet haben.

Detlef-Lutz Pertek BRK Heroldsberg im Okt. 2015

Autor:

Detlef-Lutz Pertek aus Landkreis Erlangen-Höchstadt

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