Mythos ,,Goldener Saal" contra harte Realität

Der Goldene Saal: Im Inneren der vom Architekten Albert Speer entworfenen Zeppelintribüne befindet sich die 335 Quadratmeter große Halle mit einer Raumhöhe von acht Metern. | Foto: Nicole Fuchsbauer
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  • Der Goldene Saal: Im Inneren der vom Architekten Albert Speer entworfenen Zeppelintribüne befindet sich die 335 Quadratmeter große Halle mit einer Raumhöhe von acht Metern.
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Videobeitrag zum Rundgang

Zeppelintribüne und Zeppelinfeld sollen baulich gesichert werden - Neues Konzept für den Innenraum der Steintribüne

NÜRNBERG (nf) - Ortstermin Zeppelintribüne: Gestern hatte der Nürnberger Stadtrat die Gelegenheit, zusammen mit Kulturreferentin Prof. Dr. Julia Lehner und Baureferent Daniel F. Ulrich, das Sanierungsprojekt ,,Zeppelintribüne/Zeppelinfeld“ selbst in Augenschein zu nehmen. Die Gesamtanlage soll entsprechend der Leitlinien zum künftigen Umgang der Stadt mit dem ehemaligen Reichsparteitagsgelände baulich gesichert werden. Die Vorbereitungsarbeiten wurden 2015/16 an Musterflächen getestet. Die Erfahrungen verschiedener Varianten der Testsanierung, rund 3 Millionen Euro teuer, dienen nun als Basis für eine genaue Kostenberechnung. Die Zahlen für die tatsächliche Kostenberechnung sollen im Herbst 2016 vorliegen.

Der Rundgang machte deutlich, wie es um das Gebäude und die Wallanlage steht: schlecht. Klar ist, das wird nicht zum Schnäppchenpreis zu haben sein. Klar ist aber auch, hier muss etwas getan werden, um das Mahnmal zu erhalten und den Besuchern beispielsweise Zugang zum ,,Goldenen Saal“ zu gewähren. Ganz ohne die Ambition, hier einen ,,neuen Nazi-Bau“ erstellen zu wollen. Das Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände wird sehr gut angenommen und auch die Zeppelintribüne plus Wallanlage sind untrennbar mit der Geschichte Nürnbergs verbunden.

Kulturreferentin Prof. Dr. Julia Lehner erklärte es so: ,,Es geht um die Instandhaltung, Instandsetzung des Zeppelinfeldes. Der Part der Kultur ist dabei neben der Weiterentwicklung des Dokumentationszentrums Reichsparteitagsgelände vor allem ein Bildungskonzept und ein Angebot vor Ort zu bringen, dass auf der einen Seite natürlich informiert, dass sich aber auch darauf einlässt, sich mit Besucherinnen und Besuchern ganz verschiedener Herkunft auseinandersetzen zu müssen. Unsere Bildungsarbeit, unsere Vermittlungsarbeit, muss heute neu aufgestellt werden. Wir haben es mit Personenkreisen zu tun, die mit eigenen Erfahrungen mit Diktaturen hier her kommen. Wir wissen, dass Menschen, die in unserer Gesellschaft leben, eigene Traumatisierungen haben und wissen außerdem, dass die Zeitzeugengeneration nicht nur rückläufig, sondern so gut wie ausgestorben ist."

Die verschiedenen Lösungsvorschläge der baulichen Sanierung zielen darauf ab, die Originalsubstanz möglichst zu erhalten. Die Tests, so Baureferent Ulrich, waren das Geld wert. Einige Lösungen haben sich bewährt, andere wurden bereits während der Ausführung als ungeeingnet gestoppt. Alle Lösungen wurden übrigens mit der Unteren Denkmalschutzbehörde und dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege abgestimmt und begleitet.

Zu den Hauptproblemstellen zählen die Fassade, die Stufenanlage, die ehemalige Pfeilergalerie und die Innenräume. Das Nutzungskonzept sieht außerdem vor, dass für Besucher ein Treppenhaus im Seitenflügel dauerhaft geöffnet werden kann, um das Tribüneninnere zeigen zu können. Zum Schutz gegen das Regenwasser müsste das Treppenhaus eine Dachkonstruktion erhalten. Die Mosaikdecken im Inneren sollen lediglich ein Stahlnetz zum Schutz vor herabfallenden Elementen bekommen.

Auch die Stufenanlage des Zeppelinfeldes auf der Wallinnenseite soll ganzjährig sichtbar werden. So erkennen die Besucher die ursprüngliche Funktion und die Dimension der Anlage. Die Treppen zwischen den Türmen sind derzeit wegen mangelnder Betonqualität nicht ausreichend standsicher. In Zukunft sollten sie jedoch gefahrlos durch Besucher genutzt werden können.

Baureferent Daniel F. Ulrich: ,,Worum geht es? Es geht um die dauerhafte Begehbarkeit der Gesamtanlage. Um Menschen zu zeigen, was und wie es war. Um es nachlebbar zu machen. Unsere Aufgabe als ,Baumenschen’ ist es, dafür zu sorgen, diese Begehbarkeit im Rahmen eines Konzeptes dauerhaft, vor allem sicher möglich zu machen. Und zu verhindern, dass dieses Gebäude eines Tages einstürzt. Wie man sehen kann, ist es nicht mehr in ganz gutem Zustand. Seit Frühling 2015 haben wir Proberestaurierungen gemacht und verschiedene Verfahren ausprobiert, wie man es denn erreichen kann, dass das Gebäude dauerhaft stehen bleibt. Das betrifft drei Schwerpunkte: die Fassade der Zeppelintribüne, die Decke der Tribüne und die Treppenanlage zum Zeppelinfeld hin plus Wallanlage. Am sogenannten Goldenen Saal gibt es nicht viel zu tun, außer die Anbringung von Gittern, die vor herabfallenden Teilen schützen sollen. Im weiteren Innenraum wird es jedoch viele statische Arbeiten geben. Problem ist, dass das Gebäude total durchnässt ist, hier werden unsere Maßnahmen allerdings nach und nach greifen.“

Die Ziele in der Übersicht:

– Partielle Öffnung des Zeppelinfeldes für Besucher.
– Der Rückbau des bisherigen Gebäudes des Sportservice in der Mittelachse des Zeppelinfeldes, ersatzweise werden Türme für Duschräume und Umkleidekabinen angeboten.
– Umbau der Stahlleitplanken im direkten Umfeld der Tribüne in ein reversibles Stecksystem, damit die optisch störenden Leitplanken nur während des Norisring montiert werden können.
– Umpflanzung der Baumreihe entlang der Beuthener Straße.
– Öffnung des Goldenen Saals im Mittelbau der Tribüne für Besucher.

Mythos Goldener Saal

Im Inneren der vom Architekten Albert Speer entworfenen Zeppelintribüne befindet sich eine 335 m² große Halle mit einer Raumhöhe von 8 Meter. Die Wände sind mit Marmorplatten verkleidet, die Decke ist mit goldschimmernden Mosaiken verziert. Über zwei Treppenaufgänge konnten die „Führerkanzel“ und die Ehrentribüne auf der Vorderseite erreicht werden. Unmittelbar neben der Eingangshalle lagen weitere Räume, zahlreiche Toiletten und eine Telefonzentrale. Den Namen ,,Goldener Saal“ erhielt die Halle erst in der Nachkriegszeit. Die Stadt Nürnberg ließ 1984 die Eingangshalle restaurieren. Sie wurde von 1985 bis 2001 als Ort für die Ausstellung „Faszination und Gewalt“ genutzt. Die Präsentation informierte erstmals an dieser Stelle über Absicht und Wirkung der Reichsparteitage und die Funktion der Parteitagsarchitektur. 1988 fanden die von Hans Jürgen Breuste aus Waffenschrott gefertigten Antikriegsobjekte „Overkill I und II“ hier einen geeigneten Standort, sie stehen jetzt vor dem Eingang.

Zeppelintribüne

Ab 1933 nutzten die Nationalsozialisten das Gelände für die Reichsparteitage. Architekt Albert Speer wählte den antiken Pergamonaltar als Vorbild für die Haupttribüne. Der in den Jahren 1935–1937 errichtete Bau besteht aus Beton und Ziegelmauerwerk, verblendet mit Muschelkalk. Die ursprüngliche Anlage galt als Musterbeispiel nationalsozialistischer Staatsarchitektur. Während des Zweiten Weltkrieges blieb die Anlage weitgehend unzerstört. Am 22. April 1945 hielt die US-Armee eine Siegesparade vor der Haupttribüne ab. Anschließend sprengte die Armee das Hakenkreuz, um aller Welt das Ende des Nationalsozialismus vor Augen zu führen. 1967 ließ die Stadt Nürnberg die Pfeilergalerien wegen Baufälligkeit abbrechen. Ebenso wurden einige Jahre später die Seitentürme auf halbe Höhe abgetragen.

Zeppelinfeld

Das Gelände am Südostufer des Dutzendteichs erhielt 1909 nach der Landung eines Luftschiffs des Grafen Zeppelin den Namen Zeppelinwiese. Dort legte die Stadt Nürnberg in den 1920er Jahren einen großflächigen Sport- und Volkspark an. Dazu gehörten das Städtische Stadion, das Stadionbad, Kleingartenkolonien, Grünanlagen und öffentliche Sportplätze.
Seit 1945 wird das Zeppelinfeld unterschiedlich genutzt. In erster Linie diente es der US-Armee bis zu ihrem Abzug 1995 als Sport- und Paradeplatz. Darüber hinaus findet hier alljährlich das Norisring-Rennen statt – eine der bedeutendsten Motorsportveranstaltungen in Deutschland. Das Zeppelinfeld ist auch Veranstaltungsort großer Rock- und Pop-Konzerte.

Autor:

Redaktion MarktSpiegel aus Nürnberg

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