Modetrends durch die Jahrhunderte

Nicolas Juvenel: Bildnis des Balthasar IV. Paumgartner, 1589. | Foto: Leihgabe aus Privatbesitz
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  • Nicolas Juvenel: Bildnis des Balthasar IV. Paumgartner, 1589.
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Der ,,Gänsebauch" war zwischen 1580 und 1600 ein echter Aufreger

NÜRNBERG (pm/nf) - Prunkvolle Samtmäntel, kostbare Seidenwämser und mit Federn geschmückte Kopfbedeckungen: Die Sammlung historischer Kleider des Germanischen Nationalmuseums gehört zu den ältesten, bedeutendsten und umfangreichsten textilen Fachsammlungen weltweit. Ab Donnerstag, 3. Dezember 2015, werden erstmals rund 50 Kleidungsstücke aus der Zeit zwischen 1530 und 1650 zusammen mit hochkarätigen Leihgaben aus dem In- und Ausland für drei Monate in einer großen Sonderausstellung zu sehen sein. Bedeutende Werke aus dem Metropolitan Museum of Art in New York, dem Kunsthistorischen Museum in Wien oder der Königlichen Leibrüstkammer Stockholm reisen dafür eigens nach Nürnberg.

Die fragilen, historischen Kleidungsstücke erlauben Nahsichten auf Stoffe, Formen und Machart. Ergänzend veranschaulichen repräsentative Porträts die ursprüngliche Wirkung und Tragweise. Sie zeugen vom Anspruch der Oberschichten auf standesgemäße Kleidung. Flugblätter dagegen nutzen die Kleidung zur Gesellschaftskritik, und in Trachtenbüchern stehen sie für das Interesse an modischer Weltläufigkeit. In den Kleideralltag führen archäologische Funde aus einer Schneiderwerkstatt um 1600 und selten erhaltene Zeugnisse aus dem Bereich der Kleiderpflege vor 400 Jahren.

Ein grünes Wams mit Gänsbauch

Zu den Highlights der Ausstellung zählt ein grünes Wams mit Schlitzmuster aus der Zeit um 1580/1600 mit sogenanntem Gänsbauch, das als seltenes Original einen zentralen Kleidertypus der Frühen Neuzeit repräsentiert. Die historische Bezeichnung Gänsbauch erklärt die Form: Über einem schmalen Schoß und betonter Taille wölbt sich eine wattierte Bauchpartie. Charakteristisch sind auch die weiten, zum Handgelenk schmal zulaufenden Ärmel, die beim Tragen leicht geschoppt zu denken sind. Macht und Würde sollte der Träger in diesem Kleidungsstück ausstrahlen. Die Form des Gänsbauchs stammt wohl aus dem militärischen Bereich. Beim Harnisch bot eine nach vorne zugespitzte Bauchpartie dem Feind weniger Angriffsfläche und diente damit der Wehrhaftigkeit des Trägers. In der zivilen Kleidung wurde sie dann zur Mode.

Wie nahezu alle in der Ausstellung gezeigten Kleidungsstücke wurde auch das grüne Wams mit Gänsbauch eigens für die Präsentation grundlegend restauriert. Rund eineinhalb Jahre lang dauerten die Arbeiten: Große und kleinere Fehlstellen in der seidenen Oberfläche wurden gesichert, indem das historische Textil mit neuem Stoff hinterlegt und darauf fixiert wurde. Die dafür verwendeten Gewebe und Fäden waren zuvor von Hand in dem Grünton des Wamses eingefärbt worden.

Begeisterung und Entsetzen

Der Gänsbauch erlebte seine Blüte in Europa zwischen 1580 und 1600. Kirchliche Kritiker nahmen die auffällige Modeerscheinung zum Anlass, die Sünde der Hoffart zu tadeln. Im Jahr 1586 prangerte der württembergische Hofprediger Lucas Osiander d.Ä. die Gänsbäuche an: „Ein gar herrlicher Schmuck aber seind die häßlichen langen ausgefülte Gänßbäuch, die oben gleich under dem Hals anfangen und herab biß weit unter die Gürtel hangen: (wie ein Erker an eim Hauß hanget, das er schier umziehen möchte).“ Andere dagegen ließen sich – modebewusst – extra einen Gänsbauch auf schon vorhandene Wämser schneidern, wie ein Eintrag des Nürnberger Schneiders Karl Busereuth aus dem Jahr 1592 belegt. Er berechnete seinem adeligen Kunden Andreas Schmidmayer aus Schwarzenbruck Arbeiten an einem Wams, bei dem er „den Leib bessert und vorn besser ausgefilt“ hatte.

Wämser, Kleider und Mäntel, Kopfbedeckungen, Handschuhe und Kragen, aber auch Stofffragmente und Accessoires für die Kleiderpflege lassen Besucher ab dem 3. Dezember 2015 im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg in die prächtige Welt frühneuzeitlicher Mode eintauchen.

In Mode. Kleider und Bilder aus Renaissance und Frühbarock
3. Dezember 2015 – 6. März 2016
Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg

Autor:

Redaktion MarktSpiegel aus Nürnberg

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