Probezeit mit Crash ?

Verhaltensfehler in der Startphase können die Karriere gefährden

Welche Chance räumen Sie sich ein, innerhalb von lediglich einem Monat eine neue Position zu finden, die der momentanen zumindest gleichwertig ist? Wenn Sie Ihre Aussichten hoch genug und realistisch einschätzen, können Sie getrost beim Abschluß eines neuen Anstellungsvertrages die am häufigsten angewandte Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende während der Probezeit akzeptieren. Wenn nicht, sollten Sie hierüber mit dem neuen Arbeitgeber verhandeln, denn jedes neue Engagement birgt trotz sorgfältigster Überlegungen immer noch ein Restrisiko, das Ihrer Karriere einen unliebsamen Knick zufügen kann. Ein ungeschicktes Auftreten oder Verhalten in der Startphase des neuen Arbeitsverhältnisses kann bereits ausreichen, um eine Katastrophe, zumindest aber einen Existenzschock heraufzubeschwören. Um so erstaunlicher wirkt es, daß über diesen Standardpunkt in Verträgen kaum ein Wort verloren wird. Zugegeben, es kann Unsicherheit vermitteln, wenn der Spitzenkandidat für eine Position einerseits ein klares Ja zur neuen Aufgabe bekennt und damit Zuversicht ausstrahlt, andererseits will er sich mit dem Rücken zur Wand stellen. Aber auf beiden Seiten des Verhandlungstisches sollte genügend Erfahrung und menschliche Reife vorhanden sein, um auch hierüber reden zu können.

Gustav A., Diplom-Kaufmann, 33 J., trat seine neue Aufgabe als Leiter der Betriebswirtschaft in einem Fertigungsunternehmen mit einigen hundert Mitarbeitern an. Hochmotiviert stieß er bereits nach wenigen Tagen auf einige Problem-Dauerbrenner und fühlte sich gedrungen diesen unverzüglich nachzugehen. Daß er dabei einem langjährigen Kollegen auf die Füße trat, registrierte er lediglich am Rande. Das Sachproblem war groß genug und schien es zu rechtfertigen. Einem zweiten Kollegen war ein Fertigungsbereich etwas aus dem Ruder gelaufen - Anlaß zu harten Diskussionen und -selbstverständlich zahlemäßig berechtigt- noch härteren Statements. Sichtlich schockiert war er, als man ihm nach fünf Monaten eine Verlängerung der Probezeit anbot. Nach 8 weiteren Wochen mußte er unfreiwillig seinen Platz wieder räumen.

Wolfgang P., Maschinenbau-Ingenieur, 41 J., übernahm die Leitung einer mittelständischen Entwicklungsabteilung. Seine Zielsetzung sollte es sein, den technologischen Vorsprung eines Wettbewerbers auszugleichen. Ausführliche Gespräche waren vorangegangen, aber wie es bei Ingenieuren nun einmal gerne geschieht, beschränkte man sich auf rein technische Aspekte. Seine erste Abteilungsbesprechung mit einer handvoll Fachleuten begann er mit den Worten: "Meine Herren, bislang ist hier 3. Wahl gefertigt worden. Ab heute werden Sie 1. Wahl entwickeln." Bislang waren diese Mitarbeiter allerdings vom Wert ihrer Arbeit immer noch überzeugt, trotz des Vorsprungs, den man der Konkurrenz zuschrieb. Und so war man auf diese Offenbarung nicht vorbereitet und der neue Chef erreichte keinerlei Akzeptanz bei seinen Mitarbeitern. Er mußte seine Aufgabe nach 9 Monaten wieder zur Verfügung stellen.

Soziale Prozesse erfolgreich steuern

Was hier in sehr kurzer Form angerissen ist, hatte natürlich tiefergehende Prozesse ausgelöst, die ab einem gewissen Stadium offensichtlich auch nicht mehr zu kontrollieren sind. Besonders anfällig für derartige Schwierigkeiten sind zwei Personengruppen. Da sind vor allem diejenigen, die zum ersten mal das Unternehmen wechseln, insbesondere wenn sie obendrein die erste Führungsposition antreten, gefolgt von denen, die nach einer langjährigen Verweildauer gewohnte Verhältnisse verlassen und es erst wieder lernen müssen, Neuland zu erobern. Mangel an Erfahrung im ersten Fall und Trägheit in der Umstellungsbereitschaft könnten global als Ursachen genannt werden. Aber was geschieht konkret in einer Einarbeitungsphase ?

Die primäre Einarbeitungszeit erstreckt sich über rd. sechs Monate und endet spürbar, wenn der erste Lernstreß abnimmt. Einarbeitung wird oft oberflächlich als das Hineinfinden in sachliche Zusammenhange verstanden. Tatsächlich aber kommt das Kennenlernen sozialer Zusammenhänge hinzu. Und hierin ist eine wesentliche Erfolgskomponente zu sehen.

Verändert sich eine formelle Gruppe -unabhängig von ihrer Größe- wird ein zum Teil sogar sichtbarer (z.B. in Konferenzen) sozialer Prozeß in Gang gesetzt, über den sich nur wenige "Greenhorns" in Führungsriegen bewußt sind. Jede formelle Gruppe besitzt einen informellen Führer. Er ist derjenige, dessen Meinung gehört und geachtet wird, der auch in der Regel gefragt wird, bevor es zu größeren Entscheidungen und Veränderungen kommt. Er gibt den Ton an und prägt durch sein Verhalten und seine Ansichten das unsichtbare, aber dennoch vorhandene Wertesystem der Gruppe. Verändert sich die Zusammensetzung dieser Gruppe -egal ob durch einen Zu- oder Abgang- kommt es zu Verschiebungen im sozialen Gefüge, das nicht sofort, sondern erst nach einer gewissen Zeit wieder Festigung erreicht. Denn nicht nur der eigentliche Entscheider, sondern auch das schwächste Glied der Kette wird ausgemacht. Diese erkennt man wiederum daran, daß schnell der Schuldige identifiziert ist, wann immer einer benötigt wird. Es ist einfach derjenige, an dem alle anderen ihren Unmut auslassen und den sie -wenn überhaupt- als Letzten über eine Sache informieren.

Wie stark ist der Chef ?

Geht es um Managementfunktionen, darf man nicht übersehen, daß es -man spricht eigentlich nicht darüber- auch um innerbetriebliche Macht geht. Wird nun jemand der Gruppe angeschlossen -selten entscheidet die Gruppe selbst darüber-, beginnt man, die einzelnen Podeste auszuloten, manchmal mehr, manchmal weniger geschickt, in aller Regel aber zunächst unbewußt - solange bis ein Konflikt offen zu Tage tritt. Hier entscheidet sich dann an der Frage, wie er gehandhabt wird, ob ein Sieger und ein Verlierer daraus hervorgeht oder gegenseitiger Respekt gezollt wird. Also Pech für den Neuen, wenn er sich unvorsichtig, weil betriebsintern noch nicht sattelfest, in die Verliererposition hineinmanövriert. Für den Neuen gibt es aber unter Umständen erste Signale, an denen er Orientierung gewinnen kann. Je schwächer die hierarchische Leitfigur ist, umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß er eine starke Persönlichkeit auf seiner Kollegenebene antreffen wird. Sein Problem kann allerdings sein, daß sich diese nicht als einflußreich und stark gleich zu erkennen gibt. Wer im Betrieb wirklich Einfluß nehmen kann, sieht sich zumeist nicht dazu veranlaßt, die Rolle des Schreihalses zu übernehmen, sondern kann auch aus dem Hintergrund seine Interessen gut vertreten -oft sogar besser als im Rampenlicht.

Mit der richtigen Einstellung gewinnen

Jeglicher Einstieg in die neue Aufgabe muß mit dem klaren Bewußtsein geschehen, daß man vom gesamten Umfeld ausführlich und konsequent beobachtet wird, und ist erst einmal ein Konflikt auszutragen, wird der Kantinenklatsch sein übriges hinzutun und zumindest lästig werden.

Verhaltensregel Nummer eins sollte sein, zunächst die eigene Meinung noch angemessen zurückzuhalten. Erfolg ergibt sich selten aus dem verbalen Sieg von Diskussionen, sondern aus dem konsequenten Abarbeiten von Aufgaben und dem erfolgreichen Lösen von Problemen. Warum also dann noch zusätzlichen Leistungsdruck erzeugen durch unbedachte Statements, ein unnötiges Heraufsetzen von Erwartungshaltungen beim Chef oder den Kollegen? Eine gute Informationsphase sollte sorgfältig absolviert werden, um auch die unter der Oberfläche schlummernden Probleme und Sachverhalte kennenzulernen. Zu schnell wird dem sozialen Druck nachgegeben, und der Neue beginnt, sich wortgewandt profilieren zu wollen. Stattdessen lohnt es sich, den Alteingesessenen Tribut zu zollen für die Erfolge, die bislang erkämpft wurden - vorausgesetzt es wirkt angemessen und ehrlich.

Gute Beziehungen im Sinne von unterstützend und friedfertig aufzubauen ist nicht nur für den Start, sondern für eine dauerhafte Erfolgsorientierung wichtig, muß zwar nicht übers Knie gebrochen werden, aber der Wunsch danach sollte beizeiten signalisiert werden. Eher förderlich ist es, wenn man im Mitarbeiter- und Kollegenkreis deutlich zu erkennen gibt, daß man auf die Unterstützung aller zunächst angewiesen ist, was nicht bedeutet, daß man seine Meinung oder eine Entscheidung nicht durchsetzen darf.

Entscheidungsstrukturen erkennen

Das Beobachten der Entscheidungsabläufe braucht etwas Zeit, bringt aber höchsten Nutzen. Hier wird die tatsächliche Machtstruktur eines Betriebes erkennbar - und erst dann kalkulierbar. Wer ist die "graue Eminenz", an der niemand vorbeikommt, wenn es um wichtige Veränderungen geht, oder etwas gewöhnlicher ausgedrückt: wer muß mit ins Boot geholt werden, wenn eine Entscheidung zum Erfolg führen soll? Greift man vorher selbstbewußt in fremde Zuständigkeiten ein, sollte die Verwunderung darüber daß es eben doch leichtfertig und selbstüberschätzend war, nicht zu groß sein. Wahrscheinlich aber ist, daß Gewohnheiten, Wertesysteme oder noch unbekannte Zielsetzungen unbedacht berührt werden, verständlicherweise verbunden mit Reaktionen, die nicht immer offen und sichtbar erfolgen. Und wer nach langen Jahren der Betriebszugehörigkeit das Unternehmen wechselt, sollte sich innerlich tatsächlich vom alten Betrieb verabschieden. Selbst, wenn er unmittelbar vom Branchenführer kommt und dort erfolgsbewährte Prinzipien im Schlaf beherrscht hat: auch dem Geduldigsten wird es zuviel werden, wenn er mehrfach am Tag zu hören bekommt, daß man es bei XY eben ganz anders gemacht hat.

Risiken erkennen hat zur Folge, daß sie kalkulierbar werden. Und wenn es Ihr Vorgänger war, der den Crash verursacht hatte: hören Sie genau heraus, woran es lag. Zu lernen wird es allemal genug daraus geben - auch für den Fortgeschrittenen.

Autor:

Ralf Scherer aus Nürnberg

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