Oberbürgermeister Ulrich Maly hat die Schirmherrschaft übernommen
Ehrenamt und Freundschaft – warum ein Jugendstil-Beiwagen so starke Symbolkraft hat

Klaus Schwab (Vereinsmitglied und im Projektteam Beiwagen 1023, Freunde der Nürnberg-Fürther Straßenbahn e.V.), Tobias Schneider (Projektleiter Beiwagen 1023, Freunde der Nürnberg-Fürther Straßenbahn e.V.), Jacek Kolodziej (Leiter der Hauptwerkstatt, Städtische Verkehrsbetriebe AG (MPK S.A.), Krakau, Krzysztof Stryszowski (Schreinermeister; Schreinerei Stryszowski, Wieliczka), v.l. | Foto: VAG/Susanne Jerosch
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  • Klaus Schwab (Vereinsmitglied und im Projektteam Beiwagen 1023, Freunde der Nürnberg-Fürther Straßenbahn e.V.), Tobias Schneider (Projektleiter Beiwagen 1023, Freunde der Nürnberg-Fürther Straßenbahn e.V.), Jacek Kolodziej (Leiter der Hauptwerkstatt, Städtische Verkehrsbetriebe AG (MPK S.A.), Krakau, Krzysztof Stryszowski (Schreinermeister; Schreinerei Stryszowski, Wieliczka), v.l.
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NÜRNBERG (pm/nf) - Die Freunde der Nürnberg-Fürther Straßenbahn e.V. erfüllen an jedem ersten Wochenende im Monat das Historische Straßenbahndepot St. Peter der VAG  mit Leben. Dabei haben sie es sich zur Aufgabe gemacht, die Nürnberger Nahverkehrsgeschichte auch mit Originalexponaten zu dokumentieren. Doch bisher wies die Sammlung im Zeitraum von 1903 bis zum Ende des ersten Weltkriegs eine Lücke auf.

Diese wurde nun mit dem Wiederaufbau des Jugendstil-Beiwagens 1023 aus der Serie 1000 der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg (MAN) geschlossen. Am kommenden Wochenende, 6. und 7. April 2019 präsentiert der Verein das wiedererstrahlte Juwel zwischen 10.00 und 17.30 Uhr in der Schloßstraße1 zum ersten Mal der Öffentlichkeit. Extra angereist: eine Delegation aus Nürnbergs Partnerstadt Krakau.

Mühsame Puzzlearbeit

Die Fahrzeuge aus der MAN-Serie aus den Jahren 1913/1914 prägten das Nürnberger Stadtbild bis Mitte der 1950er Jahre. Bedauerlicherweise blieb keines davon erhalten. Doch der Verein konnte 2014 im Straßenbahnmuseum Wehmingen ein historisches Nürnberger Fahrgestell als Basis für einen Wiederaufbau erwerben. Noch 2014 gab es erste Vorgespräche, ob ein solches Restaurierungsprojekt möglich wäre. Und im Herbst 2016 wurde das historische Fahrwerk in die Hauptwerkstadt der Städtischen Verkehrsbetriebe AG (MPK S.A.) in Krakau gebracht, um es dort aufarbeiten zu lassen. „Dabei konnten wir viele Komponenten aus alten Ersatzteil- beständen des Freunde der Nürnberg-Fürther Straßenbahn e.V. verwenden“, erinnert sich Jacek Kolodziej, der die Krakauer Werkstatt leitet. Er hatte immer den Gesamtüberblick über den herausfordernden Auftrag aus Nürnberg, aber was er und seine Mitarbeiter nicht leisten konnten, hat er fremdvergeben. So hat beispielsweise eine Firma in Südpolen das Untergestell nach einer alten Zeichnung von MAN neu hergestellt. Dazu wurden insgesamt 764 Nieten heiß eingeschlagen – genau wie vor über 100 Jahren. Für Straßenbahnfans ein echtes technisches Highlight!
Und noch mehr Handarbeit: Im Frühjahr 2017 hat die Krakauer Schreinerei Stryszowski aus Wieliczka mit den Arbeiten am Holzaufbau begonnen. Schreinermeister Krzysztof Stryszowski hat mit seinen Mitarbeitern alle Elemente aus Eichenholz anhand alter Zeichnungen neu gefertigt. „Insgesamt haben wir zwei Eichenstämme da- für benötigt“, berichtet er bei der Vorstellung des Beiwagens in Nürnberg. Im späten Sommer wurde dann der hölzerne Wagenkasten auf dem genieteten Untergestell aufgebaut und verblecht. Und die sehr aufwändigen Arbeiten an der Inneneinrichtung konnten beginnen.Eine Kuriosität am Rande: Der Wagen hat Einzelsitze mit umlegbaren Rückenlehnen. Einige solcher Sitze hatte der Verein im Fundus. Weitere hat er über einen Aufruf in den sozialen Netzwerken und der VAG-Kundenzeitung VAGmobil gefunden. Denn: Nach der Ausmusterung der Wagen in den 1960er Jahren hatte die VAG die Stühle für 2 D-Mark verkauft. Einige haben die Zeit überdauert. Ab Februar 2018 hat Jacek Kolodziej mit seinem Team dann den Wagen lackiert, elektrisch verkabelt und den Innenausbau vollendet.
Am 17. Dezember 2018 kam der Beiwagen schließlich zurück nach Nürnberg, wo eine kleine Gruppe von Vereinsmitgliedern für den letzten Schliff sorgte. Darunter der Projektleiter Tobias Schneider und Klaus Schwab, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, Messingteile aus Altbeständen aufzupolieren, um dem Fahrzeug noch mehr historisches Flair zu verleihen.

Gelebte Städtepartnerschaft

Insgesamt war das Nürnberger Projektteam 30 Mal in Krakau – für technische Abstimmungen, Prüfungen oder um selbst mit anzupacken. Alles in der Freizeit und ehrenamtlich. Doch mit viel Spaß, wie Tobias Schneider berichtet: „Wenn man so oft in einer anderen Stadt ist, wird man ein Teil davon. Man geht mit Einheimischen abends aus, geht in Clubs, Bars, lernt Leute kennen und die Sprache. Findet Freunde, Bekannte – macht manches so, wie es die Polen auch machen. Eine tolle Erfahrung!“ Und ein schöner Beitrag zu 40 Jahren gelebter Städtepartnerschaft zwischen Krakau und Nürnberg. Sicherlich auch ein Grund, warum Nürnbergs Oberbürgermeister Ulrich Maly die Schirmherrschaft für das rein aus Spenden finanzierte, rund 350.000 Euro kostende Projekt übernommen hat. Die VAG integriert das Fahrzeug nun in ihren historischen Fuhrpark und kümmert sich um dessen Zulassung. Schließlich soll der Beiwagen künftig hinter dem aus der gleichen Epoche stammenden Triebwagen 701 auf Nürnbergs Schienen fahren.

Weitere Informationen und viele Bilder zum Projekt gibt es unter www.bw1023.sfnbg.de

Autor:

Nicole Fuchsbauer aus Nürnberg

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