Stellungnahme von Prof. Dr. Franz Kainer, Diakoneo Klinik Hallerwiese in Nürnberg
Ist Cytotec gefährlich? Umstrittenes Medikament wird in der Geburtshilfe verwendet

Chefarzt Prof. Dr. Franz Kainer von der Diakoneo Klinik Hallerwiese in Nürnberg, eine der größten Geburtskliniken in Deutschland, gab eine Stelllungnahme zur den aktuellen Berichten über das Medikament Cytotec ab.  | Foto: Christine Blei
  • Chefarzt Prof. Dr. Franz Kainer von der Diakoneo Klinik Hallerwiese in Nürnberg, eine der größten Geburtskliniken in Deutschland, gab eine Stelllungnahme zur den aktuellen Berichten über das Medikament Cytotec ab.
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FRANKEN (nf) - Cytotec ist eigentlich ein Magenschutzmmittel, das auch verabreicht wird, um Geburten einzuleiten. Nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung und des Bayerischen Rundfunks kann es zu schweren Komplikationen bei der Geburt führen.

Ausgewertet wurden von den Redaktionen Gutachten, Fallberichte und Gerichtsurteile, in Deutschland seien eine Mutter und drei Babys im Zusammenhang mit der Gabe von Cytotec gestorben. In Einzelfällen sollen Gehirnschäden (Sauerstoffuntersorgung) bei den Babys aufgetreten sein. In seltenen Fällen riss die Gebärmutter der Frauen. Cytotec wurde in den 1980er Jahren als Magenmedikament entwickelt, bis sich herausstellte, das es die Gebärmutter anregt. Nach einer Umfrage der Universität Lübeck verschreibt jede zweite Klinik in Deutschland Cytotec.

Chefarzt Prof. Dr. Franz Kainer von der Diakoneo Klinik Hallerwiese in Nürnberg, eine der größten Geburtskliniken in Deutschland, sieht keinen wissenschaftlich fundierten Grund, auf den Einsatz des Medikaments Misoprostol zur Geburtseinleitung zu verzichten. Zahlreiche Medien melden aktuell, so der Mediziner, dass es bei Einnahme des Medikamentes Misoprostol (Markenname unter anderem Cytotec) bei Schwangeren zu schweren Komplikationen für Mutter und Kind kommen kann.

Da diese Veröffentlichungen große Ängste bei schwangeren Frauen auslösen, hält Prof. Kainer eine wissenschaftliche Bewertung für angezeigt. „Es ist aus medizinischer Sicht unverständlich, warum ein Medikament, das seit 40 Jahren mit großem Erfolg zum Wohle von Mutter und Kind eingesetzt wird, plötzlich als lebensgefährliches Medikament für Mutter und Kind dargestellt wird“, sagt Prof. Kainer. ,,Es wird berichtet, dass es zu mütterlichen Todesfällen kam und dass es zum Absterben von Babys in Deutschland und Frankreich gekommen ist. Diese seltenen Einzelfälle sind jedoch nicht nur auf das Medikament Misoprostol zurückzuführen. Diese tragischen Einzelfälle gibt es leider auch bei alternativen Medikamenten. Die Indikationen und Kontraindikationen werden korrekt aufgeführt, auch findet sich der richtige Hinweis, dass dieses Medikament ein ,off-label' Medikament ist. Das bedeutet, dass dieses Medikament zwar zugelassen ist, aber für die Schwangerschaft keine Zulassung hat. In der Geburtshilfe ist ein off-label-use aber nicht ungewöhnlich, da die Pharmafirmen für die relativ kleine Gruppe der Schwangeren meist den schwierigen Zulassungsweg nicht auf sich nehmen."

Das Medikament wird in den meisten Kliniken im deutschsprachigen Raum und auch international zur Geburtseinleitung seit Jahrzehnten verwendet. „Es wird auch weiter eingesetzt werden“, ist sich Prof. Kainer sicher: „Es gibt kaum ein Medikament in der Schwangerschaft, zu dem es so zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten gibt wie zu dem Medikament Misoprostol. Das Mittel wird seit 1985 in der Geburtshilfe eingesetzt und in 80 Ländern verwendet. Es wird von der Weltgesundheitsorganisation WHO und der FIGO (Internationale Vereinigung für Gynäkologie und Geburtskunde) und von zahlreichen Leitlinien als sinnvolles Mittel zur Geburtseinleitung und zum Schwangerschaftsabbruch und zur Behandlung von schweren Blutungen nach der Geburt verwendet. Vor allem in Entwicklungsländern werden dadurch zahlreiche Todesfälle von jungen Müttern verhindert. Das Medikament ist zur Geburtseinleitung besonders geeignet, da es das einzige Medikament ist, das man schlucken kann. Zudem verringert es im Vergleich zu anderen Methoden der Geburtseinleitung die Kaiserschnittrate. Es ist auch das einzige Medikament zur Geburtseinleitung, das nicht zu einer Kontraktion der Bronchien führt, es kann daher auch bei Asthmatikerinnen eingesetzt werden. Misoprostol ist daher derzeit eines der am zuverlässigsten untersuchten Medikamente zur Geburtseinleitung. Wegen des wahrscheinlich erhöhten Risikos einer Uterusruptur wird es bei Zustand nach einem Kaiserschnitt allerdings nicht eingesetzt. Aus wissenschaftlicher Sicht ist die einzige Erklärung für die aktuellen Berichte, dass die Autoren/Autorinnen die Literatur zu dieser Thematik nicht kennen."

Autor:

Nicole Fuchsbauer aus Nürnberg

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