Was sich mit der Bundes-Notbremse ändern soll ++ Zum Friseur mit Negativtest
UPDATE: Das bedeutet der neue Paragraf 28b

Geschlossene Gastronomie in Nürnberger Altstadt. Die Politik ringt um eine bundesweite Corona-Notbremse. | Foto: Victor Schlampp
  • Geschlossene Gastronomie in Nürnberger Altstadt. Die Politik ringt um eine bundesweite Corona-Notbremse.
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UPDATE: 
BERLIN (dpa) - Lange haben sich Bund und Länder zusammengerauft im Kampf gegen das Coronavirus. Doch zuletzt klappte es nicht mehr mit der gemeinsamen Linie. Das Kabinett hat deshalb am Dienstag Ergänzungen des Infektionsschutzgesetzes beschlossen, die der Bundesregierung vorübergehend mehr Durchgriffsrechte verschaffen. Der Bundestag muss zustimmen, auch der Bundesrat kommt noch zum Zug.

BUNDES-NOTBREMSE: Wenn die 7-Tage-Inzidenz (Ansteckungen binnen sieben Tagen pro 100 000 Einwohner) an drei aufeinander folgenden Tagen die Schwelle von 100 überschreitet, so sollen dort ab dem übernächsten Tag schärfere Maßnahmen gelten. Diese sollen so lange in Kraft bleiben bis die 7-Tage-Inzidenz an fünf aufeinander folgenden Tagen die Schwelle von 100 unterschreitet - dann treten die Extra-Auflagen am übernächsten Tag wieder außer Kraft.

Vorgesehen ist Folgendes:

PRIVATE KONTAKTE: Es darf sich höchstens ein Haushalt mit einer weiteren Person treffen. Kinder bis 14 Jahre zählen extra. Für Zusammenkünfte von Ehe- und Lebenspartnern oder zur Wahrnehmung des Sorge- und Umgangsrechts gilt das nicht. Bei Veranstaltungen zu Todesfällen dürfen bis zu 15 Personen zusammenkommen.

AUSGANGSBESCHRÄNKUNGEN: Zwischen 21.00 und 5.00 Uhr darf man die eigene Wohnung oder das eigene Grundstück nicht mehr verlassen. Ausnahmen sind die «Abwendung einer Gefahr für Leib, Leben oder Eigentum» wie etwa gesundheitliche Notfälle bei Mensch und Tier oder dringende medizinische Behandlungen. Ausgenommen sind in der Regel auch die Ausübung eines Berufs oder Mandats und die journalistische Berichterstattung. Das Gleiche gilt für die Wahrnehmung von Sorge- oder Umgangsrecht, die unaufschiebbare Betreuung Unterstützungsbedürftiger oder Minderjähriger oder die Begleitung Sterbender, Versorgung von Tieren oder «ähnlich gewichtige und unabweisbare Gründe».

FREIZEITEINRICHTUNGEN: Einrichtungen wie Schwimmbäder, Saunen, Diskotheken, Bordelle, Wellnesszentren, Ausflugsschiffe oder Indoorspielplätze müssen schließen.

LÄDEN: Geschäfte oder Märkte mit Kundenkontakt müssen schließen. Ausgenommen sind der Lebensmittelhandel inklusive Direktvermarktung, Getränkemärkte, Reformhäuser, Babyfachmärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker, Hörgeräteakustiker, Tankstellen, Zeitungsverkäufer, Buchhandlungen, Blumenläden, Tierbedarfs- und Futtermittelmärkte und Gartenmärkte. Diese dürfen aber nur das übliche Sortiment verkaufen. Für die zulässige Kundenanzahl gelten Grenzen in Abhängigkeit von der Verkaufsfläche. In geschlossenen Räumen müssen Kunden eine Maske auf FFP2-Niveau oder eine medizinische Maske tragen.

KULTUR UND ZOOS: Theater, Opern, Konzerthäuser, Bühnen, Musikclubs, Kinos (außer Autokinos), Museen, Ausstellungen, Gedenkstätten, zoologische und botanische Gärten müssen schließen, auch entsprechende Veranstaltungen sind untersagt.

SPORT: Nur kontaktloser Individualsport bleibt erlaubt, den man allein, zu zweit oder mit Angehörigen des eigenen Hausstands ausüben kann. Für Berufs- und Leistungssportler gibt es Ausnahmen.

GASTRONOMIE: Der Betrieb von Gastronomiebetrieben und Kantinen wird untersagt. Es gibt aber Ausnahmen etwa für Speisesäle in Rehazentren oder Pflegeheimen, die Versorgung Obdachloser oder von Fernfahrern. Die Abholung von Speisen und Getränken zum Mitnehmen bleibt erlaubt, ebenso die Auslieferung. Zwischen 21.00 und 5.00 Uhr ist nur die Auslieferung zulässig.

KÖRPERNAHE DIENSTLEISTUNGEN: Dienstleistungen mit körperlicher Nähe zum Kunden sind untersagt. Ausgenommen sind Dienstleistungen, «die medizinischen, therapeutischen, pflegerischen oder seelsorgerischen Zwecken dienen sowie Friseurbetriebe». Dabei müssen in der Regel FFP2-Masken oder Masken mit gleicher Schutzwirkung getragen werden. Wer zum Friseur will, muss ein höchstens 24 Stunden altes negatives Testergebnis vorweisen.

NAH- UND FERNVERKEHR: In Bus, Bahn und Taxi sind Masken mit FFP2-Niveau Pflicht. Möglichst soll nur die Hälfte der regulär zulässigen Passagiere mitfahren.

TOURISMUS: Die Vermietung touristischer Übernachtungsmöglichkeiten ist untersagt.

Unabhängig von der Notbremse gilt Folgendes:

SCHULEN: Schülerinnen und Schüler sowie Lehrer müssen im Präsenzunterricht zweimal pro Woche getestet werden. Darüber hinaus gilt hier eine eigene Notbremse: Überschreitet die 7-Tage-Inzidenz an drei aufeinanderfolgenden Tagen den Schwellenwert von 200, so wird ab dem übernächsten Tag der Präsenzunterricht in Schulen, Berufsschulen, Hochschulen, Einrichtungen der Erwachsenenbildung und ähnlichen Einrichtungen verboten. Ausnahmen für Abschlussklassen und Förderschulen sind möglich. Diese Bremse gilt auch für Kitas, die Länder können aber Notbetreuung ermöglichen. Die Schulbremse tritt außer Kraft, wenn die 7-Tage-Inzidenz an fünf aufeinander folgenden Tagen unter 200 liegt.

WEITERGEHENDE REGELUNGEN: Weiterreichende Gebote und Verbote des Infektionsschutzes bleiben von der Notbremse unberührt. Gottesdienste sind von ihr ebenfalls nicht erfasst.

VERORDNUNGEN DES BUNDES: Der Bund soll zudem bei einer Inzidenz von über 100 über eigene Verordnungen Vorkehrungen zum Infektionsschutz erlassen können, was normalerweise Ländersache ist. Darin kann der bekannte Katalog an Corona-Vorschriften enthalten sein, von Quarantäneregelungen über die Maskenpflicht bis hin zur Schließung bestimmter Einrichtungen. Aber auch Erleichterungen wären möglich, insbesondere für Menschen, die als immun gelten oder einen negativen Test vorweisen können. Bundestag und Bundesrat müssen diesen Verordnungen zustimmen - beim Bundestag ist das der Fall, wenn er seine Zustimmung nicht binnen sieben Tagen ausdrücklich verweigert hat.

DAUER DER REGELUNGEN: Sowohl die Bundes-Notbremse als auch die Möglichkeit zu Bundes-Verordnungen gelten nur, solange in Deutschland eine epidemische Lage von nationaler Tragweite als festgestellt gilt. Derzeit ist das der Fall, allerdings muss der Bundestag dies alle drei Monate bekräftigen.

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BERLIN (dpa) - Das Bundeskabinett will möglichst noch heute bundesweit einheitliche Einschränkungen beschließen, um die immer stärkere dritte Corona-Welle in Deutschland zu brechen. Dazu soll voraussichtlich das Infektionsschutzgesetz geändert werden.

In einem neuen Paragrafen 28b soll festgelegt werden, was zu tun ist, wenn in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt an drei aufeinanderfolgenden Tagen die Inzidenz über 100 liegt, also binnen einer Woche mehr als 100 Neuinfizierte auf 100.000 Einwohner kommen.

Ausgangssperre

In den vorausgehenden Verhandlungen zwischen Bund und Ländern war für diesen Fall vorgesehen worden, dass der Aufenthalt außerhalb einer Wohnung von 21 bis 5 Uhr bis auf Ausnahmen untersagt wird. Mehrere Beteiligte gingen davon aus, dass es nach stundenlangen Verhandlungen bis Dienstagmorgen ein Einvernehmen geben würde, das eine Verabschiedung in der Ministerrunde später am Dienstag möglich macht. Möglichst in einem beschleunigten Verfahren sollten die Regeln dann vom Bundestag beschlossen werden und den Bundesrat passieren.

Kritiker

Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) unterstützt im Grundsatz bundeseinheitliche Maßnahmen. «Wenn nicht überall so hart durchgegriffen wird, kann ich absolut verstehen, dass der Bund dann auch sagt, dass wir ein solches Gesetz brauchen», sagte er RTL. Allerdings sah er Nachbesserungsbedarf am Entwurf. «Dort sind Regelungen drin, die wir nicht mittragen können.»

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) wandte sich besonders gegen nächtlichen Ausgangsbeschränkungen. «Richtig ist mit Sicherheit, die Kontakte so weit es geht, drinnen wie draußen zu reduzieren und auf das Nötigste zu beschränken», sagte der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz in der RBB-«Abendschau». Aber: «Abends alleine oder zu zweit spazieren zu gehen, ist keine große Gefahr.»

Auch der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, ist skeptisch. «Übertragungen im Freien sind nicht nur sehr selten. Sie führen in der Regel auch nicht zu Clusterinfektionen. Nicht zuletzt aus psychosozialen Gründen sollten wir mit Augenmaß vorgehen und den Aufenthalt im Freien nicht ohne Not erschweren», sagte er der Düsseldorfer «Rheinischen Post» (Dienstag).

Schulen

Der Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) kritisierte hingegen die vorgeschlagenen Regelungen für die Schulen. «Alle Schulen ab einer Inzidenz von 200 pauschal dichtzumachen wäre für das Kindswohl fatal», sagte Verbandspräsident Thomas Fischbach der «Neuen Osnabrücker Zeitung». «Anstelle den Präsenzunterricht wegen willkürlich gegriffener Inzidenzwerte zu verbieten, müssen die Schulen endlich mit ausreichenden Tests für Schüler und Lehrer versorgt und das Personal geimpft werden, dann kann auch bei hoher Inzidenz sicher unterrichtet werden.»

Intensivbetten

Demgegenüber appellierte die Intensivmediziner-Vereinigung Divi an Bundesregierung, Bundestag und Bundesländer, die Regelungen möglichst schnell noch diese Woche zu verabschieden. Denn der bisherige Höchststand an Intensivpatienten wird wohl noch schneller erreicht als erwartet, nämlich bereits im April, wie der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin, Gernot Marx, der «Augsburger Allgemeinen» (Dienstag) sagte. «Das heißt, dass wir bereits Ende April die Größenordnung von 6000 und mehr Corona-Intensivpatienten erreichen würden, wie wir sie auf dem Höhepunkt der zweiten Welle hatten.» Erst vor wenigen Tagen waren für Ende April noch 5000 Intensivpatienten prognostiziert worden. Wenn das Gesetz erst Ende April beschlossen werde, werde die Patientenzahl auf 7000 steigen, sagte er voraus. «Wir reden über sehr viele schwere Erkrankungen und über viele Menschen, die das nicht überleben werden.»

Arbeitgeber

Neben der Novelle des Infektionsschutzgesetzes sollte dem Kabinett auch eine geänderte Arbeitsschutzverordnung mit einer Pflicht für Testangebote in Unternehmen vorgelegt werden. Der Entwurf der Verordnung sieht vor, dass die Unternehmen verpflichtend und in der Regel einmal in der Woche Tests zur Verfügung stellen.

Die überarbeiteten Lockdown- und Testregeln sollen die Zahl der Infizierten, Covid-19-Kranken und Todesfälle so gering wie möglich halten, bis durch fortschreitende Impfungen ein Rückgang des allgemeinen Infektionsgeschehens erreicht ist.

Hintergrund

Am Montag (12. April 2021) war die Inzidenz bundesweit auf 136,4 gestiegen - den höchsten Wert seit zwölf Wochen. Bundesweit lag sie in 305 Kreisen über 100 und in 24 davon sogar über 250. Der 7-Tage-R-Wert, der die Zahl der Ansteckungen durch eine oder einen Infizierten anzeigt, stieg auf 1,08.

Zudem lagen zuletzt 4662 Covid-19-Patienten auf der Intensivstation. 382 Menschen wurden binnen einem Tag neu aufgenommen, unterm Strich stieg die Zahl der Covid-19-Intensivpatienten um 77. Mehr als 78.400 Menschen sind inzwischen in Deutschland an oder mit Covid-19 gestorben.

Autor:

Nicole Fuchsbauer aus Nürnberg

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