Japanische Schwertkunst Iaido - Gespräch mit Wim van Mourik

Wim van Mourik, Iaido Rokudan Renshi
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Bayerischer Iaido Bund e.V.

Auf dem Landeslehrgang des Bayerischen Iaido Bundes im November hatte ich die Gelegenheit, mich mit Lehrgangsleiter Wim van Mourik, Iaido Rokudan Renshi, zu unterhalten. Der 68-jährige Berliner, der aus den Niederlanden stammt, praktiziert seit 1984 Iaido, ist ordinierter Bodhisattva und war von 2004 bis 2015 erfolgreicher Nationalmannschaftstrainer des Deutschen Iaido Bundes.

Wie bist Du zum Iaido gekommen?
Wim van Mourik: In Amsterdam übte ich zunächst Kyokushin-Karate. Ich kam wegen meiner Frau 1974 nach Berlin. Es zog es mich wieder zur Kampfkunst, weil das in mir steckte. Im Berliner Kampfkunstclub „Satori“, wo viele unterschiedliche Kampfkünste angeboten wurden, sah ich zum ersten Mal Jonas Müller-Brodmann beim Iaido-Praktizieren.
Ich war unvermittelt davon fasziniert und wie magnetisch angezogen. Nachdem ich anderthalb Stunden zugeschaut hatte, fragte ich Jonas, ob ich sein Schüler werden könne. Nach einem halben Jahr des Übens sagte er zu mir: „Wenn Du richtig Iaido machen willst, musst Du auch Zazen üben.“ Da ich ihm völlig vertraute, kam ich also auch zum Zen, denn er unterrichtete neben Iaido auch Zen. 1985 erhielt ich meine Ordination zum Bodhisattva im Zentempel La Gendroniere, Frankreich.
Eigentlich hatte ich nie das Ziel, Danprüfungen zu machen. Jedoch, nachdem ich 1989 mit Meister Sagawa aus Japan in Kontakt kam, meinte dieser und auch das Komitee vom Deutschen Iaido Bund, dass ich in Berlin ein Iaido-Dojo gründen solle. Denn mein Lehrer Jonas Müller-Brodmann war nicht mehr in Berlin. Um eine Iaido-Gruppe leiten zu können, war es jedoch sinnvoll auch Danprüfungen zu machen. Bis zu meinem fünften Dangrad legte ich all diese Prüfungen in Tokio mit Hilfe von Sagawa Sensei ab, der 87-jährig im Jahr 2004 starb. Er war einer der großen Iaido-Lehrer Japans. Jetzt folge ich Furuichi Sensei - er hat mich als Schüler angenommen. Denn als Iaidoka muss man immer weiterkommen und braucht sozusagen quasi eine Linie, einen Sensei, dem man folgt.

Welches Erlebnis hat Dich sehr beeindruckt?
Wim van Mourik: Es gab viele Erlebnisse - eines war jedoch für mich prägend, ausschlaggebend. Ich nenne diese Geschichte „Die drei Reiskörner“:
Nachdem wir wieder einmal bei Sagawa Sensei für zwei Wochen in Tokio trainiert hatten, gab es wie immer die Abschiedsfeier. Auch Sagawa Sensei nahm daran teil. Im Dojo waren Tische für ein Essen aufgestellt. Das Essen wurde verpackt angeliefert - jede Portion hatte einen Deckel aus Alufolie drauf. Alle entfernten diese Deckel, legten sie auf den Tisch und begannen zu essen. Nur Sagawa Sensei nicht. Er machte den Deckel auf, wartete und schaute auf den Deckel. Daran klebten drei Reiskörner. Zuerst aß er diese drei Reiskörner und legte erst danach den Deckel auf den Tisch. Das löste etwas in mir aus. Ich dachte: „Schau mal. Alle reißen den Deckel runter, mit den Körnern drauf, das beachten die gar nicht. Jedoch die Details sind sehr wichtig! Auch diese drei kleinen Reiskörner sind wichtig. Auf der einen Seite hört man immer vom Hunger in der Welt - und hier beachtet jemand drei Reiskörner.“ Das ist eines von diesen Erlebnissen, das ich jetzt einmal nennen möchte.

Welchen Nutzen hat Iaido in der heutigen Zeit?
Wim van Mourik: Die Menschen richten sich immer stärker nach außen aus, was verhindert, dass sie zu sich selbst finden. Durch Iai kann man zu sich selbst kommen - Iaido heißt: „Der Situation entsprechen“. Also auch mit dem Schwert in der jeweilig vorgegebenen Situation sich gegen einen oder mehrere Gegner unvermittelt verteidigen zu können. Das steht stellvertretend für unsere Handlungen im täglichen Leben.
Im Budo - den japanischen Kampfkünsten - gibt es klare Vorgaben. Es geht dabei insbesondere um Respekt. Unser gemeinsames Training beginnt mit Reiho (Verneigung) und endet mit Reiho. Wir gehen immer respektvoll mit unserem Lehrer, mit anderen Menschen, mit unserem Übungsschwert, mit unserem Dojo (Übungshalle) und mit unserer Kleidung um. Solche Werte spielen beim Iaido eine wichtige Rolle. Ein Dojo ist immer schlicht, sauber und still. Durch diese Ruhe kommt man aus der Alltagshektik herunter in eine eigene Stille.
Jeder hat Stärken und Schwächen. Die Schwächen gilt es, in Stärken umzuwandeln. Das Üben endet niemals. So lange man lebt, so lange sollte man üben. Denn letztendlich wird man die absolute Perfektion nie erreichen können - man wird immer wieder etwas Neues beim Iaido entdecken und verbessern können.
Und es geht dabei um die Entwicklung von mehr Menschlichkeit, indem man sein Herz vergrößert. Man kommt mit Leuten zusammen, mit denen man nie in Kontakt kommen würde. Jeder hat beim Iaido seinen Platz. Jeder ist fürsorglich, passt auf, niemanden zu verletzen und hilft den anderen weiter. Ich übernehme gern Verantwortung, gebe dies weiter, leite die anderen an und möchte ein gutes Vorbild sein.

Iaido-Üben in Nürnberg bei ZANCHIN Kampfkunst e.V.. Mehr dazu: PDF
Iaido in Bayern: Bayerischer Iaido Bund e.V.
Iaido in Deutschland: Deutscher Iaido Bund e.V.

Autor:

Annette Maul aus Nürnberg

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