Wer hat Angst vor dem neuen Kulturgutschutzgesetz?

Sammler und Händler haben nach dem neuen Kulturschutzgesetz eine Nachweispflicht für die erworbene Antiquitäten und Bilder, insorfern diese einen bestimmten Euro-Betrag überschreiten. | Foto: ©JackF/Fotolia.com
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  • Sammler und Händler haben nach dem neuen Kulturschutzgesetz eine Nachweispflicht für die erworbene Antiquitäten und Bilder, insorfern diese einen bestimmten Euro-Betrag überschreiten.
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REGION (vs) - Die von der Bundesregierung geplante Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes schlägt hohe Wellen. Obwohl noch nicht in Kraft getreten, nehmen bereits jetzt immer mehr private Sammler ihre hochpreisigen Leihgaben aus den öffentlichen Sammlungen und auch Kunst- und Antiquitätenhändler sowie Auktionshäuser schlagen Alarm. Doch woher kommt diese geballte Ladung an Misstrauen und Protesten?

Zunächst einmal möchte der Referentenentwurf von Bundesministerin Monika Grütters den in verschiedenen Gesetzen untergebrachten Kulturgutschutz in einer einzigen Novelle vereinigen. Ziel ist es, den deutschen Kulturgutschutz an europaweit geltendes Recht anzugleichen und zu verhindern, dass Kulturobjekte von nationalem Wert aus Deutschland herausgebracht werden dürfen. Zudem möchte Monika Grütters sicher stellen, dass keine Hehlerware aus dem Ausland nach Deutschland eingeführt und von Deutschland aus in andere Länder ausgeführt wird. Dies gilt sowohl für private Sammler als auch für Museen.
Der Gesetzesentwurf lässt jedoch nach Meinung von Kritikern viele Interpretationsmöglichkeiten zu, so dass Sammler Angst vor Enteignung und Kunsthändler Angst vor Haftungsansprüchen haben.

Zwei Beispiele

Ein Antiquitätenhändler kauft aus einem Nachlass eine Sammlung antiker Münzen auf. Für jedes Exemplar, das einen Verkaufswert von 100 Euro oder mehr hat, muss der Händler vom Vorbesitzer einen Beleg anfordern, das dieses Stück legal erworben worden ist. Eine Ausnahme gilt nur, wenn sich beweisen lässt, dass sich die betreffende Münze schon mindestens 20 Jahre in einer Sammlung befunden hat oder wiederholt gehandelt worden ist. Wenn es sich um historische Münzen handelt, die jedoch nicht antik sind, ist die Nachweisgrenze erst ab einem Wert von 2.500 Euro festgesetzt. Gleiches gilt für den Sammler, der eine solche Münze erwirbt. Im Zweifelsfalle müsste er auch er nachweisen, dass die Antiquität aus einer legalen Quelle stammt. Dadurch entsteht ein großer bürokratischer Aufwand für den Händler und eine Rechtsunsicherheit für den Sammler, denn viele Nachlässe enthalten keine Daten zur Herkunft der Objekte, die Grenze zwischen historisch und antik ist fließend und auch der Wert eines Einzelstückes ist bei Experten umstritten.
Ein zweites Beispiel: Bis vor wenigen Wochen zeigte das Solnhofener Museum eine spektakuläre Versteinerung: Einen Schnabelfisch im Todeskampf mit einem Flugsaurier, den er als vermeintliche Beute aufgespießt hatte. Dieses Objekt, die Leihgabe eines privaten Sammlers, ist einzigartig, der Euro-Verkaufswert auf dem freien Markt etwa den USA oder Japan dürfte in einem hohen einstelligen Millionenbetrag liegen. Würde dieser Fund nach der Novellierung des Kulturschutzgesetzes in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes eingetragen, hätte der Eigentümer keine Möglichkeit mehr, den Fund außerhalb Deutschlands zu verkaufen. Deshalb hat der Besitzer vorsichtshalber den Leihvertrag gekündigt und die wertvolle Platte mitgenommen.

Verhältnismäßigkeit muss stimmen

Michael Frieser (MdB) und kulturpolitischer Sprecher der CSU-Landesgruppe betont, dass des darum gehen müsse, die Anforderungen, die das Kulturschutzgesetz künftig an den Handel mit Kulturgütern stelle, in einem ausgewogenen Verhältnis zu dem öffentlichen Interesse an der Bewahrung von national wertvollem Kulturgut stehen müsse. Frieser, auf Anfrage des MarktSpiegels, wörtlich: „Zahlreiche Gespräche mit Sammlern von Gemälden, Münzen und anderen Kulturgütern haben mich sensibilisiert, dass wir insbesondere bei der Ausfuhr von Kulturgütern in den europäischen Binnenmarkt darauf achten müssen, die Zahl der genehmigungspflichtigen Ausfuhren möglichst einzuschränken. Dafür brauchen wir Alters- und Wertgrenzen, die den Großteil des Handels mit Kulturgütern nach wie vor genehmigungsfrei lassen. Nur so wird der Kunsthandel nicht übermäßig belastet und unnötiger bürokratischer Aufwand vermieden. Dafür werde ich mich in den parlamentarischen Beratungen einsetzen.“

Gemischte Gefühle

Nürnbergs Kulturreferentin Prof. Julia Lehner versteht den Wunsch der Bundesregierung, Kulturgut zu schützen. Man müsse jedoch auch die Ängste der Sammler ernst nehmen. Gleichzeitig gibt Lehner zu bedenken: „ Angesichts des kaum vorhandenen Ankaufsetats unserer Museen ist die Verbindung zu privaten Sammlungen essentiell. Insofern beobachten wir die Entwicklung durchaus mit gemischten Gefühlen.“

Drohende Gefahren

Große Skepsis herrscht beim Auktionshaus JSM-Auktionen in Nürnberg. Jörg Meister: „Wir sehen in der zu Recht umstrittenen Verschärfung des deutschen Kulturschutzgesetzes leider eine große Gefahr für den Zugang der Öffentlichkeit zu Kulturgütern und auch für den Kunsthandel. Die drohende Gefahr einer Abwertung wird die Besitzer von Kunstwerken zwingen, ihre teils hochkarätigen Einzelstücke komplett vom Markt zu nehmen. Zahlreiche Stücke im Dauerverleih wurden von ihren Eigentümern bereits zurückgezogen und stehen somit der Öffentlichkeit nicht mehr zur Verfügung – eine Entwicklung, die zeigt wie das Gesetz über sich selbst stolpert. Wir sind der Überzeugung, dass zahlreiche hochwertige, künstlerisch und historische Kulturgüter auf diese Art und Weise für lange Zeit vom internationalen Markt verschwinden werden, der öffentliche Verkauf der Werke wird nur noch im Ausland stattfinden, eine Entwicklung, die den deutschen Kunsthandel stark trifft.
Einen Sinn für den Schutz der heimischen Kunst hätte ein solches Gesetz – wenn überhaupt - vor 40 Jahren gemacht. Die Entwicklung am Kunstmarkt, die den Werken mehr und mehr Wert als Vermögenssicherung zumisst, hat dazu geführt, dass sich ein Großteil der wertvollsten Kunstwerke bereits in Privatsammlungen im In- und Ausland befinden. Diese „Sammler“ sind treibender Motor jedes Kunsthandels, und dies bereits seit hunderten von Jahren. Ihre private Begeisterung und ihr Engagement ermöglichte das Entstehen von umfangreichsten und außergewöhnlichsten Zusammenstellungen von Kulturgütern aller Ressorts. Bis heute stellen sie die Basis zahlreicher Ausstellungen in deutschen Museen dar, die sich meist auf die Spenden privater Sammler begründen. Es darf auch nicht vergessen werden, dass die renommiertesten Auktionshäuser der Welt international agieren und Repräsentanten und Dependancen in jedem erdenklichem Land besitzen. Bei nicht abzusehenden Folgen für ihre Kunstwerke werden sie diese sicher nicht mehr auf dem deutschen Markt anbieten.
Was sagen Museen und der Handel dazu?
Der MarktSpiegel hat bei staatlichen, städtischen und privaten Museen in der Metropolregion nachgefragt, ob und welche Auswirkungen sich durch das neue Kulturschutzgesetz erwarten. Anbei einige Stellungnahmen:

• Dr. Thomas Schauerte (Leiter des Albrecht-Dürer-Hauses und der Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg: „Die Kunstsammlungen der Stadt Nürnberg sind bislang noch nicht von den Auswirkungen der geplanten Novelle betroffen. Da wir aber durchaus auch kostbare Dauerleihgaben aufbewahren und zeigen, könnte der Fall der Fälle durchaus eintreten. Dann würden wir natürlich zunächst das Gespräch mit den Leihgebern suchen, um das Äußerste abzuwenden. So sehr die Abwanderung wertvollen deutschen Kulturguts in die Tresore von Banken oder Oligarchen abzulehnen ist, scheinen mir die möglichen Auswirkungen der Novelle auf unsere Museen vom Gesetzgeber noch nicht in allen denkbaren Konsequenzen durchdacht worden zu sein“.

• Dr. Martin Schramm (Amtsleiter Stadtarchiv und Museen der Stadt Fürth): Der Schutz von Kulturgut ist sehr wichtig, da viele Werke nicht nur einen Preis haben, sondern auch einen Wert – einen ideellen. Es ist daher von großer Bedeutung, dass Kulturgut vor Verlust und Verkauf geschützt wird. Ob der neue Gesetzentwurf der richtige Weg ist, wird erst die Zukunft zeigen. Auf nationaler Ebene halte ich einige Teile des geplanten Kulturgutschutzgesetzes für sehr riskant. Es droht, wenn nicht eine schleichende Enteignung von Kunstbesitzern, so doch eine erhebliche Einschränkung bei deren Verfügungsrecht über ihr Eigentum. Was zunächst gut klingt, nämlich der Schutz deutschen Kulturguts, z.B. vor Verkauf ins Ausland, kann sich ins Gegenteil verkehren. Andere Länder haben ähnliche Regelungen wie Deutschland eingeführt. Die Folge war eine massive Reduzierung des Kunsthandels. Wertvolle Objekte verschwanden aus Furcht vor Entdeckung und Aufnahme in Schutzlisten einfach im privaten Keller. Tolle Stücke werden damit als ungewollte Nebenwirkung des Gesetzes der Öffentlichkeit vorenthalten, weil sich Privatbesitzer nicht mehr trauen, ihre Gegenstände zu zeigen oder zuzugeben, dass sie diese haben. Mit dem Kulturgutschutzgesetz könnte zudem ein Bürokratiemonster geschaffen werden. Ab einer gewissen Regelungsdichte, wird kaum mehr sinnvoll zu handhaben sein, wer was in welche Schutzlisten eintragen darf. Wer weiß, wie viele Kommissionen sich in Arbeitskreisen damit befassen werden und was dann die Ergebnisse sind. Ich bin hier sehr skeptisch bezüglich der Sinnhaftigkeit und des Gesetzeserfolgs in der Welt außerhalb der Bürokratie. Für die Fürther Museen habe ich derzeit wenig Bedenken. Die Wertgrenze für Einzelobjekte soll meines Wissens bei 150.000 Euro liegen. Da gibt es hier nicht so viele betroffene Stücke. Anders sieht es beim Alter von über 50 Jahren aus. Die hiesigen Objekte haben aber vor allem einen großen lokalen Wert, auch für unsere Identität. Ich kann mir jedoch nicht vorstellen, dass so viele lokale Objekte von so großer nationaler Bedeutung sind, dass sich hier ein großer Aufwand für Prüfungen und Diskussionen ergeben wird.
Die Verwaltungsvorschriften in Fürth sehen es ohnehin nicht vor, dass einzigartige Objekte zur Fürther Geschichte verkauft werden dürften. Leihgeber oder Schenker dürften sich von dem Gesetz ebenfalls nicht abschrecken lassen. Den Meisten ist die lokale Identität das Wichtigste, wenn sie den Museen etwas überlassen. Sie übergeben es genau aus dem Grund, aus dem wir es haben wollen, nämlich, dass die Dinge in gute Hände kommen und für die Zukunft erhalten werden. Und das können wir den Leihgebern und Schenkern garantieren!

• Jürgen Söllner (Leiter Stadtmuseum Schwabach): Es ist nicht zu erwarten, dass private Leihgeber wertvolle Exponate abziehen. Des Weiteren sind unsere Provenienzen für herausragende Exponate einwandfrei. Schwierigkeiten beim möglichen Ankauf die Problemlage betreffender neuer Exponate auf dem Kunst- und Antiquitätenmarkt sind nicht zu erwarten, da unser Ankaufsetat äußerst knapp ist und wir einen strikten Sparkurs verfolgen.

• Erlangen: Nach Auskunft der Museumsleiterin Brigitte Korn ist das Stadtmuseum Erlangen bisher vom geplanten Kulturschutzgesetz nicht betroffen. Von Seiten der Leihgeber gab es bisher keine Probleme. Auch das Kunstmuseum Erlangen sieht nach Aussage von Kurator Dr. Jürgen Sandweg keine Probleme.

• Laut Aussage von Susanne Fischer M.A., Leiterin des Pfalzmuseums Forchheim, betreffen die Neuregelungen zum Kulturgutschutzgesetz das Pfalzmuseum nicht. Zwar schätzt sie, dass etwa 20-25 Prozent der Exponate im Besitz der drei unter einem Dach vereinten Museen (Archäologiemuseum Oberfranken, das Stadt- und das Trachtenmuseum) private Leihgaben sein dürften, jedoch der materielle Wert aller Objekte deutlich unter der Grenze von 300.000 Euro liegt. Auch in allen anderen Gebäuden städtischer Institutionen gibt es nach Rücksprache keine Leihgaben, die von den Neuregelungen des Kulturgutschutzgesetzes betroffen sind.

Autor:

Redaktion MarktSpiegel aus Nürnberg

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