Eine Zeitenwende steht an
Was muss der FC Bayern alles ändern?

Bayern-Sportvorstand Hasan Salihamidzic und Münchens Vorstandsvorsitzender Oliver Kahn stehen enorm unter Druck.  | Foto: Tom Weller/dpa
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BAYERN (dpa/ak) - Laufen in München bereits Gnadenfristen? Für Oliver Kahn? Für Hasan Salihamdzic? Oder für teure Fußball-Stars, die keine Titel liefern?

Ursprünglich sollte der Aufsichtsrat des FC Bayern, unter der Leitung von Ehrenpräsident und Wortführer Uli Hoeneß, bereits zu Beginn der Woche tagen. Zu diesem Zeitpunkt hätte möglicherweise bereits eine Entscheidung über die zukünftige personelle Ausrichtung des deutschen Rekordmeisters und die Zukunft von Vorstandschef Kahn und Sportvorstand Salihamidzic getroffen werden können. Zudem wäre wahrscheinlich auch der finanzielle Rahmen für das erwartete Einkaufsprogramm in diesem Sommer festgelegt worden. Neue Führungskräfte und ein Top-Mittelstürmer werden benötigt.

Schon vor Wochen wurde der Tag X auf den 30. Mai verschoben, um alle Kräfte im Meisterkampf mit Borussia Dortmund zu bündeln. Sicher ist im Vorfeld: Selbst wenn der BVB im Bundesliga-Herzschlagfinale die Meisterschale doch noch einmal an die Bayern weiterreichen sollte, würde an der Säbener Straße nicht zur Tagesordnung übergegangen.

Während sich der niemals aufgebende Kahn nach der verstörenden 1:3-Niederlage gegen RB Leipzig an den letzten Titel-Strohhalm klammerte ("Es ist dann vorbei, wenn der Schiedsrichter unser Spiel in Köln abgepfiffen hat"), äußerte sein Vorstandskollege Salihamidzic bereits das Unausweichliche: "Jetzt sehen wir, ob wir vielleicht so eine Saison haben, in der wir eben keine Titel holen."

Kahn (53) und Salihamidzic (46), die gemeinsam Champions-League-Sieger von 2001 wurden, sollten nach den Legenden Hoeneß (71) und Karl-Heinz Rummenigge (67) auch als Bosse eine neue Ära beim FC Bayern prägen. Aktuell stehen sie jedoch vor einem Scheitern. Ihr früherer Teamkollege Thomas Helmer warb im Bayerischen Fernsehen trotzdem mit dem ausdrücklichen Verweis auf die "riesengroßen Fußstapfen" ihrer Vorgänger um Nachsicht: "Es ist nicht möglich, das sofort zu packen. Darum bin ich kein Verfechter der Meinung, Olli und Hasan müssen jetzt gehen, weil sie in diesem Jahr vielleicht nicht die optimale Arbeit geleistet haben."

Die Arbeit der Vorstände wird der achtköpfige Aufsichtsrat unter dem Vorsitz von Präsident Herbert Hainer bewerten müssen. Das Gremium, das mit zahlreichen Wirtschaftsfachleuten besetzt ist, wird auf Hoeneß schauen und sicherlich auf den Rat des Patrons vom Tegernsee hören. Es gibt derzeit viele Spekulationen, bis hin zu einem möglichen Übergangs-Comeback von Hoeneß und Rummenigge in irgendeiner Form. Die Zeitungsgruppe "Münchner Merkur/tz" brachte den eigentlich bald ausscheidenden Finanzvorstand Jan-Christian Dreesen als möglichen Nachfolger von Kahn ins Spiel. Der 55-jährige Diplom-Kaufmann wird jedoch auch als neuer Geschäftsführer der Deutschen Fußball Liga gehandelt. Dreesen ist seit 2016 Mitglied des DFL-Präsidiums.

Die meisten Personaldebatten drehen sich derzeit um Kahn. Aber auch Salihamidzic wird zunehmend hinterfragt. Bei den Bayern-Spielen sitzen sie nebeneinander auf der Tribüne. Gemeinsam sind sie auch für den ungeschickt durchgeführten Trainerwechsel von Julian Nagelsmann zu Thomas Tuchel verantwortlich, der nicht zum Triple führte, sondern zu drei verspielten Titeln. Kämpfen Olli und Brazzo noch gemeinsam? Oder geht jeder bereits seinen eigenen Weg?

Kahns Argumentation lautet wie folgt: Als Vorstandschef ist er hauptsächlich für die großen Leitlinien des Fußballkonzerns mit über 1000 Mitarbeitern verantwortlich. Nach dem Leipzig-Spiel wurde deutlich, wie sehr er die Mannschaft in die Verantwortung nahm. "Intelligent haben wir uns da nicht angestellt", sagte der ehemalige Torwart-Titan über die desolate zweite Halbzeit. Kahn vermisste eine Reaktion, die Bayern-DNA auf dem Platz. "Es ist in dieser Saison schon das eine oder andere Mal passiert, dass man das Gefühl hat, alles bricht zusammen, wenn ein Gegentor fällt oder die Situation schwierig wird, wenn Widerstand entsteht."

Für die Zusammenstellung des Kaders ist Salihamidzic hauptsächlich verantwortlich. Nach der Niederlage sagte er: "Das sind alles gute Jungs. Ich stehe immer hinter der Mannschaft." Salihamidzic selbst steht seit Jahren unter dem Schutzschirm von Hoeneß. Er hat verlorene Führungsspieler wie Thiago, David Alaba oder auch Robert Lewandowski nicht angemessen ersetzt. Dass Kapitän Manuel Neuer sich im Winter bei einer Skitour das Bein brach, kann ihm nicht angelastet werden.

Salihamidzic gibt sich kämpferisch. Er kündigte bereits einen arbeitsreichen Sommer an: "Wir werden uns nach der Saison zusammensetzen und schauen, was auf dem Transfermarkt getan werden muss. Es gibt auf jeden Fall ein paar Themen."

Wer wird sich diesen Themen widmen? Nach der letzten titellosen Saison handelten Hoeneß und Rummenigge, die das Leipzig-Desaster Seite an Seite auf der VIP-Tribüne verfolgten, konsequent. Matthias Sammer kam als Sportvorstand, der Spanier Javier Martínez wurde auf Wunsch von Trainer Jupp Heynckes für die damalige Rekordablösesumme von 40 Millionen Euro verpflichtet. Auch jetzt muss neues Personal kommen. Nur Trainer Tuchel steht trotz einer Startphase, die nicht annähernd an die Bayern-typische Performance heranreicht, nicht zur Disposition.

Eine Wende in München steht dennoch bevor. Am Donnerstag jährt sich der große Bayern-Triumph im deutschen Champions-League-Finale gegen Borussia Dortmund in Wembley zum zehnten Mal. Es war das Jahr des ersten Bayern-Triples. Zwei Tage später dürfte der FC Bayern am Samstag nach zehn Meisterjahren in Folge vom BVB national entthront werden.

"Ich glaube nicht, dass Dortmund sich das noch nehmen lässt", sagte Helmer, der in seiner Karriere auch das BVB-Trikot trug. Mit Blick auf den FC Bayern bemerkte der 58-Jährige: "Manchmal ist es gut, wenn du mal so eine Saison hast. Ich glaube, dass es für den FC Bayern sehr gut sein kann, weil sie jetzt wieder richtig etwas tun müssen."

Autor:

Arthur Kreklau aus Fürth

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