Reicht es nur für den kleinen Rausch?
Cannabis in Deutschland: Was von den Kiffer-Hoffnungen übrig bleibt

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die Legalisierung von Cannabis in Deutschland vorantreiben. | Foto: Hannes P. Albert/dpa
  • Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will die Legalisierung von Cannabis in Deutschland vorantreiben.
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UPDATE

BERLIN (dpa/vs) - Die Bundesregierung hat den aktuellen Stand der geplanten Cannabis-Legalisierung vorgestellt. Wird Deutschland zum "Kiffer-Paradies" oder reicht es am Ende nur für den kleinen Rausch?

 In Deutschland sollen der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis und der Eigenanbau von maximal drei Pflanzen künftig straffrei sein. Außerdem will die Bundesregierung den Anbau und die Abgabe der Droge in speziellen Vereinen ermöglichen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) stellten in Berlin entsprechend überarbeitete Pläne für das Legalisierungsvorhaben vor. Sie sind weniger weitreichend als die ursprünglichen Ampel-Pläne.

So wird es die geplanten Cannabis-Fachgeschäfte, in denen Rausch-Produkte frei verkauft werden können, zunächst nicht geben. Dies soll erst in einem zweiten Schritt und nur in einigen Modellregionen erprobt werden - mit wissenschaftlicher Begleitung. Darauf habe sich die Regierung nach Gesprächen mit der EU-Kommission geeinigt, hieß es.

Lauterbach und Özdemir verteidigten grundsätzlich die Legalisierungspläne und bekräftigten die Argumentation der Regierung, wonach mit dem Vorhaben der Schwarzmarkt zurückgedrängt und der Kriminalität der Boden entzogen werden solle. «Niemand soll mehr bei Dealern kaufen müssen, ohne zu wissen, was man sich da einhandelt», sagte Özdemir. Lauterbach sprach von einer kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene «in klaren Grenzen (...) flankiert durch Präventionsmaßnahmen für Jugendliche». Die bisherige Cannabis-Politik sei gescheitert.

Die nun präsentierten neuen Eckpunkte für das Legalisierungsvorhaben sind ein weiterer Zwischenschritt. Noch im April soll als nächstes ein erster konkreter Gesetzentwurf zur Regelung von Besitz, Eigenanbau und Vereinen - den sogenannten Cannabis-Social-Clubs - vorgelegt werden. Dieser müsste nach Abstimmung in der Regierung und Kabinettsbeschluss später noch durch Bundestag und Bundesrat.

Die Eckpunkte im Einzelnen - im Gesetzgebungsverfahren kann sich daran noch einiges ändern:

• Der Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis bleibt straffrei, eine solche Menge darf auch in der Öffentlichkeit mitgeführt werden.

• Maximal drei «weibliche blühende Pflanzen» sind im Eigenanbau erlaubt - geschützt vor dem Zugriff durch Kinder und Jugendliche.

• «Nicht-gewinnorientierte» Vereine mit maximal 500 Mitgliedern dürfen gemeinschaftlich Cannabis zu Genusszwecken anbauen und nur an Mitglieder für den Eigenkonsum abgeben. Das Mindestalter ist 18 Jahre. Die Clubs müssen Jugendschutz-, Sucht- und Präventionsbeauftragte benennen und dürfen nicht für sich Werbung machen. Eine Mitgliedschaft in mehreren Vereinen ist verboten.

• Maximal dürfen pro Club-Mitglied 25 Gramm Cannabis pro Tag und maximal 50 Gramm pro Monat abgegeben werden. Unter 21-Jährige bekommen maximal 30 Gramm pro Monat, zudem soll für sie eine Obergrenze beim Wirkstoffgehalt festgelegt werden. Die Kosten sollen über die Mitgliedsbeiträge gedeckt werden, gegebenenfalls kommt ein zusätzlicher Betrag je abgegebenes Gramm dazu.

• In den Vereinsräumen darf nicht konsumiert werden, auch Alkoholausschank ist verboten. Zudem gilt ein Mindestabstand für die Clubs zu Schulen und Kitas.

• In der Öffentlichkeit ist der Konsum nahe Schulen oder Kitas verboten. In Fußgängerzonen darf bis 20 Uhr nicht gekifft werden.

• Frühere Verurteilungen wegen Besitzes oder Eigenanbaus bis 25 Gramm oder maximal drei Pflanzen können auf Antrag aus dem Bundeszentralregister gelöscht werden.

• Minderjährige, die mit Cannabis erwischt werden, müssen an Interventions- und Präventionsprogrammen teilnehmen.

• In einem zweiten Schritt sollen in Kreisen und Städten mehrerer Bundesländer in Modellprojekten «kommerzielle Lieferketten» ausprobiert werden, von der Produktion über den Vertrieb bis zum Verkauf von Cannabis in Fachgeschäften. Die Projekte werden wissenschaftlich begleitet, sind auf fünf Jahre befristet und auf die Einwohner dieser Kommunen beschränkt.

• Diese zweite Säule der geplanten Legalisierung ist aber «voraussichtlich weiterhin notifizierungspflichtig», wie es von der Bundesregierung heißt. Das bedeutet, dass wohl die EU mitreden darf und damit im Moment unklar ist, ob daraus am Ende etwas wird.

In ihrem Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP noch verabredet, die «kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften» einzuführen. Lauterbach hatte dazu bereits im Herbst Vorschläge vorgelegt. Von Anfang an gab es aber Bedenken, dass die Pläne an internationalem und EU-Recht scheitern könnten.

BERLIN (dpa) - Maximal drei Pflanzen auf dem Fensterbrett, höchstens 25 Gramm für den Eigenbedarf und Vereine zum gemeinschaftlichen Anbau von Gras - so könnte der erste Schritt der von der Ampel angestrebten Cannabis-Legalisierung in Deutschland aussehen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Agrarminister Cem Özdemir (Grüne) wollen heute in Berlin überarbeitete Pläne dafür vorstellen. «Die Legalisierung von Cannabis: sie kommt doch», schrieb Lauterbach vorab bei Twitter. Doch sie wird voraussichtlich nicht so weitreichend wie ursprünglich von der Ampel-Koalition geplant.

Fachpolitiker der Koalition zeigten sich dennoch froh, dass sich nun etwas bewegt. «Ein verspätetes Osterei liegt im Hanfnest!», twitterte die Grünen-Gesundheitspolitikerin Kirsten Kappert-Gonther. «Endlich!», schrieb die drogenpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion Kristine Lütke. Sie sei «sehr gespannt».

In ihrem Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP noch verabredet, die «kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften» einzuführen. Solche Cannabis-Shops gibt es etwa in den USA in einigen Bundesstaaten. Im Oktober hatte Lauterbach als zuständiger Minister - der ursprünglich selbst gegen eine Cannabis-Legalisierung war - Vorschläge dafür vorgelegt (Eckpunkte). Seitdem warten die Befürworter auf einen Gesetzentwurf.

Die Materie ist rechtlich schwierig: Von Anfang an gab es Bedenken, dass das Ampel-Vorhaben an internationalem und EU-Recht scheitern könnte oder davon ausgebremst wird. So haben sich die Staaten des Schengen-Raums beispielsweise im «Schengener Durchführungsübereinkommen» dazu verpflichtet, «die unerlaubte Ausfuhr von Betäubungsmitteln aller Art einschließlich Cannabis-Produkten sowie den Verkauf, die Verschaffung und die Abgabe dieser Mittel mit verwaltungsrechtlichen und strafrechtlichen Mitteln zu unterbinden».

Neue Eckpunkte wohl nicht so weitreichend

Lauterbach hatte Mitte März zwar gesagt, er habe von der EU-Kommission sehr gute Rückmeldungen zu dem Vorhaben bekommen. Aber auch der SPD-Parteivorstand kam kürzlich zu dem Schluss: «Eine umfassende Legalisierung ist aus europarechtlichen Gründen offensichtlich kurzfristig nicht umsetzbar.» Die neuen Eckpunkte, die heute vorgelegt werden sollen, sind nach allem, was vorab durchgesickert, allerdings noch nicht bestätigt ist, daher nicht so weitreichend, wie die ursprünglichen:

• Maximal 30 Gramm «Genusscannabis» zum Eigenkonsum sollen straffrei sein. Das war der ursprüngliche Plan. Nun sollen es nach Informationen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND) 25 Gramm sein.

• «Drei weibliche blühende Pflanzen pro volljähriger Person» sollen im Eigenanbau erlaubt sein. Bei den drei Pflanzen aus dem ursprünglichen Entwurf bleibt es voraussichtlich.

• Die Droge sollte ursprünglich in Cannabis-Shops («lizenzierte Fachgeschäfte») oder eventuell auch Apotheken legal ab 18 gekauft werden können. Das war der Kern der Legalisierungspläne der Ampel. Doch dieses Vorhaben wird nun wahrscheinlich fallengelassen und damit auch der Plan eine «staatlich kontrollierte Lieferkette» vom Anbau über Lieferung bis zum Verkauf aufzubauen.

• Eine Abgabe in lizenzierten Geschäften ist verschiedenen Berichten zufolge nur noch wissenschaftlich begleitet in regionalen Modellprojekten geplant. Da würde sich allerdings die Frage stellen, wie Cannabis-Tourismus innerhalb Deutschlands unterbunden werden soll.

• Eine Art Zwischenschritt zum freien Verkauf könnten sogenannte Cannabis-Social-Clubs darstellen. Dafür hatte sich auch der SPD-Vorstand ausgesprochen: «Zentraler Bestandteil der Legalisierung sind für uns sogenannte Cannabis-Social-Clubs (CSC)». In solchen Vereinen könnten sich Mitglieder mit Cannabis-Produkten aus eigenen Anbau versorgen. Nach dpa-Informationen könnten dort maximal 25 Gramm auf einmal und höchstens 50 Gramm pro Monat an Vereinsmitglieder abgegeben werden. Nicht-Mitglieder können kein Cannabis bekommen.

Erwartungen heute eher verhalten

In der Cannabis-Wirtschaft hofft man seit langem auf einen Boom durch eine mögliche Legalisierung in Deutschland: Von Herstellern von Cannabisöl-Verdampfern über Firmen, die sich auf Saatgut und Gewächshausbeleuchtung spezialisiert haben bis hin zu Herstellern von Arzneimitteln auf Cannabis-Basis hoffen viele auf gute Geschäfte.

Die Erwartungen waren vorab eher verhalten: Man müsse zunächst die Details der Ampel-Pläne auswerten und sehen, ob damit Investitionsentscheidungen möglich würden und der Schwarzmarkt spürbar zurückgedrängt werden könne, sagte Jürgen Neumeyer, vom Branchenverband der Cannabiswirtschaft der dpa.

Autor:

Victor Schlampp aus Schwabach

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