Interview mit IHK-Hauptgeschäftsführerin Gabriele Hohenner
Wie bewältigt die oberfränkische Wirtschaft die Corona-Krise?

IHK-Hauptgeschäftsführerin Gabriele Hohenner | Foto: Armin Straehle/IHK für Oberfranken-Bayreuth
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OBERFRANKEN (ihk/rr) – Seit Anfang März lähmt die Corona-Krise Oberfranken. Seit über zwei Wochen gelten weit reichende Ausgangsbeschränkungen, die auch das Wirtschaftsleben betreffen. Im Interview gibt IHK-Hauptgeschäftsführerin Gabriele Hohenner einen Überblick über die aktuelle Lage.

DMS: Frau Hohenner, wie ist die Lage, wie die Stimmung in den oberfränkischen Unternehmen?

GH: Das Corona-Virus hat die oberfränkische Wirtschaft fest im Griff. Das zeigen die Ergebnisse einer Blitzumfrage, die wir vor kurzem zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie durchgeführt haben. 82 Prozent der befragten Unternehmen erwarten für das Jahr 2020 einen Umsatzrückgang, jedes dritte Unternehmen rechnet mit einem Personalabbau.
Die Mehrzahl unserer Unternehmen verzeichnet eine rückläufige Nachfrage nach den eigenen Produkten und Dienstleistungen. Fast die Hälfte der der Befragten verzeichnet sogar einen Stillstand der Geschäftstätigkeit. Hinzu kommen fehlende Waren und Dienstleistungen sowie logistische Engpässe. Dort, wo noch gearbeitet wird, gibt es Ausfälle durch fehlende Mitarbeiter.

DMS: Bund und Land haben umfangreiche Hilfspakete für die Unternehmen auf den Weg gebracht. Wie bewerten Sie diese Pakete und wie sind Sie mit der Umsetzung zufrieden?

GH: Die Corona-Pandemie ist eine beispiellose Herausforderung für den Staat, die Bürger und die Unternehmen. Deshalb ist es wichtig, dass die Bundesregierung und die Bayerische Staatsregierung schnell reagiert und Hilfsmaßnahmen auf den Weg gebracht haben und das in einem bisher unvorstellbaren Ausmaß.
Aus unserer Sicht ist das Gesamtpaket aus Ausweitung der Kurzarbeiterregelung, Corona-Sofortprogrammen, Steuererleichterungen und Kreditprogrammen mit weitgehender Haftungsfreistellung ausgewogen zusammengestellt und in Anbetracht der Umstände auch schnell auf den Weg gebracht worden. Auch die Politik durchläuft in der Krise sicher einen Lernprozess, doch auf Herausforderungen wurde, zumindest in Bayern, stets rasch reagiert.
Das Ziel aller Maßnahmen ist es, dass Unternehmen, die unverschuldet in Not geraten sind, dabei zu helfen, diese schwierige Phase zu überstehen. Die zugesagten Hilfen müssen aber jetzt auch zeitnah bei den betroffenen Unternehmen ankommen. Bei vielen Unternehmen spielen bereits einige wenige Tage eine wichtige Rolle. Mit der Regierungspräsidentin Heidrun Piwernetz tausche ich mich regelmäßig aus. Ich weiß, dass die hohe Anzahl der Anträge die Regierung von Oberfranken und andere Institutionen an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit bringt. Ich weiß aber auch, dass man dort alles Menschenmögliche macht, die Anträge zeitnah zu bearbeiten.

DMS: Was können Wirtschaftsorganisationen wie die IHK in der aktuellen Situation für ihre Mitgliedsunternehmen tun?

GH: Die IHK für Oberfranken Bayreuth hat in der Krise frühzeitig reagiert und hält für ihre Mitgliedsunternehmen ein umfangreiches Unterstützungs- und Beratungsangebot vor. Das tun auch andere Kammern und viele Verbände.
Auf der Homepage der IHK (www.bayreuth.ihk.de) stellen wir alle aktuellen Informationen rund um das Coronavirus bereit. So können alle relevanten Anträge verschiedenster Institutionen auf der IHK-Homepage abgerufen werden. Die Corona-Seiten auf der Homepage der IHK wurden seit Beginn der Krise bereits über 400 mal aktualisiert und inzwischen von über 200.000 Personen besucht. Einen eigenen IHK-Corona-Newsletter (www.ihkofr.de/corona) versenden wir im Bedarfsfall mehrmals täglich an inzwischen 1.500 Abonnenten. Am heutigen Donnerstag erscheint er bereits zum 32. Mal.
Über eine Corona-Hotline (Tel. 0921 886-0) steht ein engagiertes Team von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der IHK auch für telefonische Informationen und Erstberatungen zur Verfügung. Auch hier geht es konkret etwa um die Corona-Soforthilfe, bei denen wir zur zeitlichen Entlastung der Regierung von Oberfranken die telefonische Erstberatung durchführen. Es geht aber auch um viele Fragen zu den Ausnahmeregelungen im Rahmen der Ausgangsbeschränkungen, um Fragen zu den Grenzpendlern, um das Thema Kurzarbeit oder um Informationen zu den Liquiditätshilfen von KfW und LfA. Seit Beginn der Krise wurde dieses Hotline-Angebot inzwischen von über 12.000 Anruferinnen und Anrufern genutzt.

DMS: Wie ist der Kontakt der Wirtschaft zur Bundes- und Landespolitik?

GH: Der Kontakt zu den politischen Entscheidungsträgern ist einer der großen Vorteile der Wirtschaftskammern. Unsere IHK vertritt in Oberfranken rund 47.000 Mitglieder. Unsere Expertise und unsere Meinung ist seitens der Regierung von Oberfranken, aber auch in den Ministerien gefragt.
Im Rahmen unserer Interessenvertretung ist die IHK-Organisation auf Bundes- und Landeseben höchst aktiv. Über unsere Dachverbände sind wir täglich im Kontakt mit Spitzenentscheidern aus der Politik. Viele der Hilfsprogramme sind mit maßgeblicher Beteiligung der Spitzenverbände der Wirtschaft entstanden.
Besonders kurz ist der Weg zur Politik in Bayern. Die Staatsregierung hat die Wirtschaft stets offen und direkt einbezogen. Eine Task-Force kommt täglich zusammen, um die Staatsregierung zu beraten. In dieser Task-Force, die maßgeblich von den Vertretern der bayerischen Kammern getragen wird, können auftretende Probleme im Vollzug sofort angesprochen und oft auch sofort ausgeräumt werden.

DMS: In anderen Ländern werden staatliche Beschränkungen derzeit bereits langsam wieder gelockert. Rechnen Sie auch für Oberfranken mit einem schnellen Ende des Shut-Down?

GH: Wie lange der aktuelle Zustand noch andauert, ist ungewiss. Wir können und dürfen die Probleme der Wirtschaft nicht gegen Menschenleben ausspielen. Wir können aber im Wochentakt messen, wie sich die Lage in unseren Unternehmen verschlechtert. Trotz allem ist das Verständnis in der Wirtschaft für den Shutdown groß.
Die Bundeskanzlerin und auch der bayerische Ministerpräsident haben Lockerungen der Maßnahmen, die bislang bis zum 20. April gelten, von einer Verlangsamung der Ausbreitung des Virus abhängig gemacht. Wir können heute aber nicht davon ausgehen, dass danach kurzfristig wieder Normalität einkehrt.
Ein Blick auf die Entwicklung ist Österreich zeigt, dass Öffnungen, wenn sie denn kommen, nur schrittweise vollzogen werden können. Viele Staaten tasten sich aktuell an die richtige Strategie zur Öffnung der Beschränkungen heran. Wir erwarten, dass die Wirtschaft auch in die Überlegungen zur Öffnung einbezogen wird. Aktuell führen wir viele Einzelgespräche mit Unternehmerinnen und Unternehmern, um deren Erwartungen und Vorschläge aufzunehmen und an die Politik heranzutragen.
Doch auch wenn der Zeitpunkt der Öffnung heute noch nicht feststehen kann, so brauchen die Unternehmen doch möglichst frühzeitig Planungssicherheit. Wir brauchen rechtzeitig Informationen, unter welchen Bedingungen, etwa den Gesundheitsschutz betreffend, die Unternehmen ihre Aktivitäten wieder hochfahren oder ausweiten können. Es braucht unbedingt einen zeitlichen Vorlauf, um erforderliche Maßnahmen im eigenen Betrieb treffen und dann auch sofort starten zu können.
Klar ist aber auch, einige Branchen wird Corona deutlich länger und härter treffen als andere. Man denke nur an Hotellerie und Gastronomie oder den gesamten Veranstaltungssektor. Es bleibt Aufgabe des Staates, die durch Corona verursachten finanziellen Probleme der Unternehmen zu lindern und ihnen eine Zukunftsperspektive zu geben. Konjunkturprogramme können den Weg in die Normalität beschleunigen.

DMS: Wie wird der Wirtschaftsstandort Oberfranken nach der Krise aussehen?

GH: Deutschland und Bayern tun derzeit alles, um das Überleben der Wirtschaft zu ermöglichen und ihr einen raschen Neustart zu ermöglichen. Vieles hängt natürlich von der Dauer der Krise ab und davon, wie Kunden und Lieferanten in anderen Ländern die Situation bewältigen. Wichtig ist auch, dass der Corona-Krise keine weltweite Finanzkrise folgt.
Aktuell erwarten Wirtschaftsexperten für 2020 einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 4,2 Prozent, gehen aber schon für das kommende Jahr wieder von einem Wachstum um 5,8 Prozent aus.
Oberfranken war und ist eine Region des Wandels, eine Region, die schon viele Herausforderungen überwunden hat. Wir werden auch diese Krise meistern, können mittelfristig vielleicht sogar gestärkt aus ihr hervor gehen. Unser breiter Branchenmix und die ausgeprägt mittelständische Struktur der Wirtschaft helfen uns dabei sehr.
Die Zeit nach Corona wird viele Chancen mit sich bringen. Jetzt müssen wir dafür sorgen, dass unsere Unternehmen dann noch die Liquidität und Stärke haben, um die Chancen auch ergreifen zu können.
Für die besonders betroffenen Branchen im Gastgewerbe oder im Einzelhandel baue ich auf die Solidarität der Verbraucher. Wer auch künftig noch belebte Innenstädte haben will, muss lokal einkaufen. Dank der Flexibilität vieler Anbieter geht das übrigens auch jetzt in der Krise schon vielerorts.

DMS: Was wünschen Sie sich abschließend?

GH: Was wir jetzt brauchen, sind Geduld, Hoffnung und Engagement. Geduld, etwa beim Akzeptieren der aktuellen Einschränkungen und beim Warten auf ein Hochfahren des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens. Hoffnung, dass wir die Krise gemeinsam meistern und Engagement, dass wir gemeinsam alles daran setzen, dass Oberfranken die wirtschaftsstarke, lebens- und liebenswerte Region bleibt, wie wir sie kennen.

Autor:

Roland Rosenbauer aus Forchheim

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