Fränkischer Biochemiker an Studie beteiligt
Kommt jetzt endlich die Antibabypille für den Mann?

Foto:  © gewitterkind/stock.adobe.com/Symbolbild

BAYREUTH (pm/nf) – Eine neue, in „Nature Communications“ veröffentlichte vorklinische Studie ist wegweisend für die Entwicklung einer „Antibabypille für den Mann“: einer Tablette, die vom Mann eingenommen wird und eine Schwangerschaft der Frau verhindert.

US-amerikanische Forscher haben in Tierversuchen erfolgreich einen biochemischen Mechanismus getestet, der die Spermien des männlichen Partners vorübergehend unfruchtbar macht. Einer der Ko-Autoren dieser Studie, der Bayreuther Biochemiker Prof. Dr. Clemens Steegborn, war wesentlich an vorangegangenen Studien beteiligt, die den für diesen Mechanismus entscheidenden Wirkstoff identifiziert haben.

Entscheidende biochemische Vorstudien 

Das Forschungsteam von Steegborn an der Universität Bayreuth befasst sich schon seit vielen Jahren aus biochemischer Perspektive mit der löslichen Adenylylcyclase (sAC). Dieses Enzym produziert bei vielen physiologischen Vorgängen cAMP (cyclisches Adenosinmonophosphat), einen für die Signalübertragung in Säugetieren unentbehrlichen Botenstoff. Auch für die Signalübertragung im Zusammenhang mit Fortpflanzungsprozessen wird cAMP benötigt. Infolgedessen ist die Aktivierung der sAC, die diesen Botenstoff synthetisiert, eine entscheidende Voraussetzung für die Beweglichkeit und Reifung der Spermien und somit auch für deren Fähigkeit, bis zur Membran der weiblichen Eizelle vorzudringen. Daher hängt die Fruchtbarkeit der Spermien wesentlich davon ab, dass das Enzym sAC aktiv ist. Im November 2022 veröffentlichten Steegborn und Forscher in den USA, die jetzt federführend an der vorklinischen Studie mitgewirkt haben, eine gemeinsame Untersuchung zu sAC-Inhibitoren. T

Nach 24 Stunden ist Fruchtbarkeit wieder hergestellt

Die in den letzten Jahren publizierten Untersuchungen bilden nun die Grundlage für die neue vorklinische Studie: An der medizinischen Fakultät der Cornell University (Weill Cornell Medicine) wurde die Wirkungsweise von sAC-Inhibitoren an männlichen Mäusen getestet. Die Versuchsreihen bestätigen die starke empfängnisverhütende Wirksamkeit. Dabei kann TDI-11861 die Fruchtbarkeit der Spermien noch effektiver unterdrücken als TDI-10229. Nach einer einzigen Injektion von TDI-11861 liegt die empfängnisverhütende Wirkung während der folgenden zweieinhalb Stunden bei 100 Prozent. Drei Stunden nach der Injektion beginnen einige Spermien wieder beweglich zu werden. Gleichwohl liegt die empfängnisverhütende Wirkung in den dreieinhalb Stunden nach der Injektion immerhin noch bei 91 Prozent. 24 Stunden nach der Injektion ist die normale Fruchtbarkeit der Spermien wiederhergestellt. Ein weiterer wichtiger Aspekt: Die männlichen Mäuse zeigten während der sechs Wochen, in denen ihnen sAC-Inhibitoren verabreicht wurden, keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Weitere Entwicklungsschritte und ein neues Start-up in den USA

Die Forscher in New York City werden ihre vorklinischen Experimente  weiterführen. Sollten auch die weiteren Versuche erfolgreich verlaufen und die bis dahin erreichten Erkenntnisse bestätigen, wären die Voraussetzungen für erste klinische Versuche gegeben, in denen die Wirkung der sAC-Inhibitoren auf die Beweglichkeit von Spermien gesunder Männer getestet wird. Um die Entwicklung eines Verhütungsmittels gezielt voranzutreiben, haben Steegborn und fünf US-amerikanische Forscher im August 2022 das Start-up-Unternehmen „Sacyl Pharmaceuticals“ mit Sitz in der Region New York City gegründet.

Hormonfreies Verhütungsmittel

„Als wirkungsvolle Verhütungsmethoden stehen Männern bis heute nur Kondome oder ein sterilisierender chirurgischer Eingriff, die Vasektomie, zur Verfügung. Hormonfreie Kontrazeptiva werden daher dringend benötigt und nachgefragt. Unsere neue vorklinische Studie stellt eine entscheidende Wegmarke für die Entwicklung eines hormonfreien Verhütungsmittels dar, das zudem den Vorteil hat, dass es kurzfristig bei Bedarf in Tablettenform eingenommen werden kann. Es steht jetzt fest, dass die sAC-Inhibition bei dieser Form der Schwangerschaftsverhütung eine Schlüsselfunktion hat. Zur Aufklärung der biochemischen Grundlagen konnten wir von Bayreuth aus in den letzten Jahren wichtige Beiträge leisten“, sagt Prof. Dr. Clemens Steegborn und fügt hinzu: „Ausgangspunkt unserer Forschungsarbeiten an der Universität Bayreuth war die Frage, wie sich die Synthese des Botenstoffs cAMP – der für die Signalübertragung in allen Säugetieren zentral ist – durch eine Regulierung der löslichen Adenylylcyclase sAC beeinflussen lässt und welche pharmazeutischen Möglichkeiten sich daraus ergeben könnten. Diese Zusammenhänge werden wir in Zukunft weiterhin untersuchen. Dabei denken wir auch an mögliche Chancen für die Prävention und Behandlung von Erkrankungen, beispielsweise durch eine gezielte Beeinflussung des Augendrucks oder der Insulinfreisetzung.“

Die neue vorklinische Studie:
Melanie Balbach et al.: On-demand male contraception via acute inhibition of soluble adenylyl cyclase. Nature Communications (14 February 2023), https://www.nature.com/articles/s41467-023-36119-6
DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-023-36119-6

Zwei der vorangegangenen Studien:
Michael Miller et al.: Design, Synthesis, and Pharmacological Evaluation of Second-Generation Soluble Adenylyl Cyclase (sAC, ADCY10) Inhibitors with Slow Dissociation Rates. Journal of Medicinal Chemistry (8 November 2022). DOI: https://doi.org/10.1021/acs.jmedchem.2c01133

Makoto Fushimi et al.: Discovery of TDI-10229: A Potent and Orally Bioavailable Inhibitor of Soluble Adenylyl Cyclase (sAC, ADCY10). ACS Medicinal Chemistry Letters (14 July 2021),
DOI: https://dx.doi.org/10.1021/acsmedchemlett.1c00273

Quelle: https://www.uni-bayreuth.de/

Autor:

Nicole Fuchsbauer aus Nürnberg

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