Drogen-Legalisierung
Breite Ernüchterung bei Cannabis-Firmen

Symbolfoto: Hannes P Albert/dpa
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FRANKFURT / MAIN (dpa/mue) - Mit dem Beschluss des Deutschen Bundestags ist endgültig klar, was sich schon seit Monaten abzeichnete: Die Teil-Legalisierung von Cannabis für den Freizeitkonsum geht lange nicht so weit, wie im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung angepeilt.

Zwar soll Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz herausgenommen werden, wo es bisher neben anderen Drogen als verbotene Substanz geführt und mit Strafvorschriften belegt ist. Besitz und Eigenanbau begrenzter Mengen sollen für Volljährige vom 1. April an erlaubt sein. Und in Vereinen («Cannabis-Clubs») sollen Mitglieder die Droge gemeinsam anbauen und gegenseitig abgeben dürfen. Der einstige Plan aber, Cannabis in Fachgeschäften an Erwachsene zu verkaufen, wurde vertagt. Das soll in Deutschland zunächst in Modellprojekten erprobt werden - Ausgang ungewiss.

Teil-Legalisierung dämpft Euphorie

Das bringt manche Cannabis-Firmen in Bedrängnis, beobachten Branchenexperten: Längst ist die Goldgräberstimmung einer gewissen Ernüchterung in dem umkämpften Markt gewichen. Um neue Cannabis-Geschäftsideen ist es ruhig geworden. Und Firmen wie das Berliner Start-up Cantourage, das im Herbst 2022 an die Börse ging, haben Anlegern wenig Freude bereitet. Mit der Aktie ging es seither unterm Strich kräftig bergab.

Der Branchenverband Cannabiswirtschaft sieht trotzdem Aufwind für die Firmen. «Eigenanbau und Anbauclubs als Möglichkeiten zur Selbstversorgung sind zwar an sich nicht kommerziell, sie benötigen jedoch Infrastruktur, Ausstattung und Dienstleistungen», sagt Lisa Haag vom Fachbereich Technik, Handel & Dienstleistungen. Angesichts des Hypes um die Freigabe ist zudem ein bunter Markt um allerlei (legale) Cannabis-Produkte entstanden - von Hanf-Duschgels über Hanf-Tee bis hin zu Cremes. Jüngst eröffnete in München ein «Hanf-Megastore», der auf 800 Quadratmetern rund 1.000 Produkte rund um Cannabis anbietet. Manches davon wie Hanf-Liköre oder -Nudeln fällt jedoch eher in die Spaß-Abteilung. «Die Meinungen, ob die Teillegalisierung der Branche überhaupt noch hilft, gehen weit auseinander», sagt Rossoni, dessen Firma Teil des börsennotierten Arzneiherstellers Dr. Reddy’s ist und sich auf Cannabis-Fertigarzneien konzentriert. Jedenfalls sei die Wachstumsstory rund um eine Volllegalisierung vieler Start-ups zusammengebrochen.

Höhere Zinsen, knauserige Investoren

«Wir sehen keine nennenswerten Neueintritte von Firmen mehr in den Markt», beobachtet auch Jakob Sons, Mitgründer von Cansativa aus dem hessischen Mörfelden-Walldorf. Das Unternehmen handelt mit Medizinal-Cannabis, Jahresumsatz rund 17 Millionen Euro. Erschwerend dazu kommen gestiegene Zinsen und vorsichtige Investoren - das Umfeld für Start-ups ist generell rauer geworden. «Einigen Firmen geht die Puste aus», sagte Sons. «Wir beobachten erste Insolvenzen im Markt. Die Konsolidierung schreitet voran.»

Sons sieht in der Teillegalisierung dennoch Vorteile: «Es ist kein großer Wurf, aber ein wichtiger Schritt im globalen Trend zur Entstigmatisierung von Cannabis.» Zudem herrsche nun etwas mehr regulatorische Klarheit. Da Cannabis ab April aus dem Betäubungsmittelgesetz genommen werden solle, könnten Ärzte medizinisches Cannabis leichter verschreiben. Allein die Vorbehalte von Medizinern sind nach wie vor groß: «Mit der Teillegalisierung rechnen wir mit deutlich mehr Cannabis-Patienten in Deutschland», meint sein Bruder und Gründungspartner Benedikt Sons. Daher habe man sich bei Investitionen auf den Medizin-Bereich konzentriert. Auch die enormen Vorgaben für Apotheken sänken mit der Teillegalisierung merklich.

Medizinisches Cannabis auf Rezept

Cannabis als Arznei hat schon seit der Liberalisierung 2017 einen Boom erlebt. Kranke können sich den Stoff vom Arzt verschreiben lassen, etwa gegen Spastiken bei Multipler Sklerose oder chronische Schmerzen sowie bei Übelkeit und Erbrechen nach Krebs-Chemotherapien. Doch die Dokumentationspflichten für Ärzte sind bisher groß. In der Medizin werde die Teillegalisierung der Branche helfen, erwartet auch Rossoni von Nimbus-Health, der neue Cannabis-Produkte plant. «Die Akzeptanz bei Ärzten dürfte steigen.»

Schon seit der Freigabe von Cannabis auf Rezept gab es Spekulationen über die Freigabe für den Freizeitkonsum. Die Zweifel an der geplanten Umsetzung aber sind groß. Kiffen im öffentlichen Raum etwa soll unter anderem in Schulen, Sportstätten und in Sichtweite davon verboten werden - konkret in 100 Metern Luftlinie um den Eingangsbereich. Und die Cannabis-Clubs sind laut der Pläne als nicht kommerzielle Vereine zu organisieren und brauchen eine Erlaubnis, die befristet gilt. Das Anbaugebäude darf keine Wohnung sein und keine auffälligen Schilder haben. Werbung ist tabu, auch Cannabis-Konsum direkt vor Ort. Geregelt sind überdies Dokumentationspflichten. Rossoni ist skeptisch. «Ob sich das alles als praxistauglich erweist, muss sich noch zeigen.»

Autor:

Uwe Müller aus Nürnberg

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