Via Internet zum Missbrauchsopfer
Kriminologen warnen Eltern vor zunehmender Gefahr für ihre Kinder

Das macht Angst: Vor allem Mädchen sind in Gefahr, in den sozialen Medien von Sexualstraftätern belästigt zu werden. | Foto: Monkey Business - stock.adobe.com (Symbolbild)
  • Das macht Angst: Vor allem Mädchen sind in Gefahr, in den sozialen Medien von Sexualstraftätern belästigt zu werden.
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MÜNCHEN (dpa/lby/vs) - Immer mehr Sexualstraftäter nutzen das Internet und die sozialen Medien, um vor allem Kontakte mit minderjährigen Mädchen zu knüpfen. Das Phänomen wird Cyber-Grooming genannt. Was Eltern wissen müssen, und wie sie ihre Kinder schützen können, erklärt ein Kriminologe, der sich auf dieses Verbrechensgebiet spezialisiert hat.

Von Cordula Dieckmann, dpa

Es ist der Horror von Eltern: Die 12-jährige Tochter lernt im Internet einen Erwachsenen kennen, chattet mit ihm und in manchen Fällen wird sogar ein heimliches Treffen verabredet. Cyber-Grooming nennen Experten das Phänomen, das stark zugenommen hat. Von 2020 auf 2021 habe sich die Zahl der Fälle in der Polizeilichen Kriminalstatistik von 2632 auf 3539 erhöht, sagte der Potsdamer Cyber-Kriminologe Thomas-Gabriel Rüdiger. Einblicke gibt seit Donnerstag ein Prozess am Landgericht München I mit mehr als zehn Opfern aus ganz Deutschland. Einem 51-Jährigen werden unter anderem sexuelle Nötigung, sexueller Missbrauch von Kindern, Besitz kinderpornografischer Schriften und sogar Vergewaltigung vorgeworfen. Die Opfer: laut Anklage zwischen 12 und 17 Jahre alt.

Wie kann man Kinder und Jugendliche davor schützen? Rüdiger rät dazu, sie auf dieses Risiko vorzubereiten. Denn eines sei sicher: Für jedes Kind, das sich im digitalen Raum bewege, bestehe das tatsächliche Risiko, mit Cyber-Grooming konfrontiert zu werden. Das legt auch eine Studie der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen nahe. Demnach gaben 2022 fast ein Viertel der befragten Kinder und Jugendlichen an, im Netz bereits von Erwachsenen zu einer Verabredung aufgefordert worden zu sein.

Auch der Angeklagte hatte die Kontakte nach eigener Aussage über Chatforen angebahnt, für die ein Mindestalter von 14 oder gar 18 Jahren gilt. Mit manchen chattete er übers Handy weiter. Die Mädchen hätten sich als älter ausgegeben, um sich auf den Internetseiten registrieren zu können. Ihr wirkliches Alter hätten sie verschleiert.

In den Handy-Nachrichten gab es der Anklage zufolge wenig Hemmungen: Es ging um sexuelle Fantasien und Praktiken oder Intimrasur, einige Mädchen schickten auch mehr oder weniger explizite Fotos, teilweise auf Bitten des Mannes. Auch über Preise, die er bezahlen würde, soll teilweise geredet worden sein. Einer 13-Jährigen soll er versprochen haben, ein Pferd zu kaufen, einer anderen den Führerschein. Als «dirty talk», schmutzige Gespräche, beschrieb der aus Jena stammende Angeklagte die Konversationen. Immer wieder betonte er auch, dass einige der Mädchen schon Erfahrungen mit älteren Männern gesammelt hätten - teilweise gegen Geld.

Mit einigen traf er sich auch. Mit einer 15-Jährigen verbrachte er zwei Tage an der Ostsee mit Übernachtung im Doppelbett, wie er zugab. Mit einer 12-Jährigen habe er in Stuttgart einen Aussichtsturm besucht, so die Anklage. Den Tag im September 2017 schilderte er so, als wäre es normal, dass ein wildfremder Mann sich mit einem Mädchen trifft, einen Ausflug mit ihr macht und sich am Ende vor deren Augen selbst befriedigt. Er habe einen schönen Nachmittag verbringen wollen und sei neugierig darauf gewesen, sie kennenzulernen, erklärte er. Vom Aussehen und vom Auftreten her hätte er das Mädchen auf 15 oder 16 geschätzt. Immer noch ein Altersunterschied von um die 30 Jahren, aber: «Ich fühle mich selbst jünger», sagte er. «10 bis 15 Jahre sind durchaus drin.» Dennoch seien Fehler begangen worden, die in letzter Konsequenz so nicht wieder auftreten sollten.

Wortreich nimmt der Angeklagte zu den Punkten der Anklage Stellung. Von Vergewaltigung will er nichts wissen, spricht stattdessen von liebevoller Nähe, allenfalls von Schüchternheit, aber alles sei einvernehmlich geschehen. Für die vielen kinderpornografischen Bilder, die laut Anklage bei ihm gefunden wurden, hat er auch eine Erklärung. Das sei aus kultur- und medienwissenschaftlicher Sicht geschehen. Er habe den Lebensplan, ein Museum für verbotene Kunst zu schaffen. Dafür habe er gesammelt.

Autor:

Victor Schlampp aus Schwabach

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