Mindestens ein Testangebot pro Woche ++ Alle Regeln im Überblick
Firmen müssen Beschäftigten Coronatests anbieten!

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) will Unternehmen nicht für zusätzliche Kosten durch die geplante Corona-Testangebotspflicht entschädigen. | Foto: Christophe Gateau/dpa
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  • Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) will Unternehmen nicht für zusätzliche Kosten durch die geplante Corona-Testangebotspflicht entschädigen.
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BERLIN (dpa/nf) - Unternehmen müssen ihren Beschäftigten künftig Coronatests anbieten. Das Bundeskabinett hat am Dienstag eine entsprechende Verordnung zum Arbeitsschutz beschlossen.

«Diese Regel gilt für alle Beschäftigten, die nicht dauerhaft im Homeoffice arbeiten können», sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in Berlin. Derjenige Teil der Wirtschaft, der offen bleiben solle, müsse nun zum Infektionsschutz einen verpflichtenden Beitrag leisten. «Ich halte das für ein Gebot der Verantwortung», so Heil. Die Verordnung trete in der kommenden Woche in Kraft. Verlängert wird zudem bis Ende Juni das Gebot zum Homeoffice für geeignete Arbeit.

Mindestens einmal pro Woche

Regierungssprecher Steffen Seibert rief die Beschäftigten dazu auf, die Testangebote auch zu nutzen. Möglich seien der Einsatz von Schnelltests, PCR-Tests und auch Selbsttests, sagte Heil. Unternehmen könnten auch mit Dienstleistern arbeiten - etwa mit der Apotheke um die Ecke. Vorgesehen ist, dass Betriebe ihren Beschäftigten einmal pro Woche ein Testangebot machen. Zwei Tests pro Woche sollen Mitarbeitern zur Verfügung stehen, die besonders gefährdet sind. Das trifft auf Bereiche mit viel Kundenkontakt oder körpernahe Dienstleistungen zu. Auch Beschäftigte, die vom Arbeitgeber in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden, müssen zwei Mal pro Woche ein Testangebot erhalten. Eine Testpflicht für Arbeitnehmer gibt es nicht.

«Wir stärken Unternehmen, die bereits testen», sagte Heil. Es sei nicht akzeptabel, wenn andere das nicht täten. Für viele Unternehmen ändert sich mit einer solchen Angebotspflicht aus Sicht des Wirtschaftsministeriums nicht viel. Nach Angaben des Ministeriums bieten inzwischen rund 70 Prozent der Unternehmen ihren Beschäftigten wöchentliche Testmöglichkeiten an, weitere Angebote kämen hinzu. Das belegten auch die Befragungen der Bundesregierung aus der vergangenen Woche. Mitte März waren es noch rund 35 Prozent.

Kritik aus der Wirtschaft

Kritik an dem Beschluss kommt vor allem aus der Wirtschaft. Die Verpflichtung sei eine weitere Misstrauenserklärung gegenüber den Unternehmen und ihren Beschäftigten in diesem Land, sagte Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger. Die Präsidentin des Verband der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Statt bürokratischer Auflagen braucht es jetzt dringend Hilfe bei der Beschaffung von ausreichend Tests, die gerade für kleine und mittlere Unternehmen schwierig ist.» Aus Sicht des Deutschen Mittelstands-Bunds ist eine unzureichende Verfügbarkeit von zertifizierten Tests ein Problem. Kritik kam auch aus der Chemieindustrie. Heil betonte, Tests stünden in ausreichender Zahl zur Verfügung.

Die Maschinen- und Anlagenbauer halten die angekündigte Pflicht zum Angebot von Corona-Tests in den Betrieben hingegen für handhabbar. «Da der überwiegende Teil unserer Unternehmen die Selbstverpflichtung, ihren Mitarbeitern Corona-Tests anzubieten, von vornherein sehr ernst genommen hat, wird sich in der Praxis nicht viel ändern», sagte Karl Haeusgen, Präsident des Branchenverbandes VDMA. Auch die IG Metall begrüßte die Angebotspflicht. «Im Augenblick sind regelmäßige Tests eine zentrale Maßnahme, um die zahlreichen Beschäftigten, die nicht im Homeoffice arbeiten können, zu schützen», erklärte am Dienstag der Erste Vorsitzende Jörg Hofmann in Frankfurt.

Wer zahlt?

Die Kosten für die Tests tragen die Arbeitgeber. Grundsätzlich können die Firmen die Kosten für Schnelltests allerdings im Rahmen der Überbrückungshilfe III geltend machen, wenn sie die Voraussetzungen dafür erfüllen. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums sind neben Desinfektionsmitteln und Schutzmasken auch Schnelltests und die Schulung von Beschäftigten zu Hygienemaßnahmen förderfähig. Die Bundesregierung rechnet mit Kosten pro Beschäftigtem von 130 Euro bis Ende Juni. Arbeitsschutz sei unternehmerische Aufgabe, so Heil.

Weitere Forderungen

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) forderte mehr Tests. Bei einer Fünftagewoche sei mehr als ein Angebot notwendig, sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann. «Bei besonders gefährdeten Beschäftigten muss arbeitstäglich ein Schnelltest zur Verfügung gestellt werden.» Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Es braucht eine tägliche Selbsttestpflicht für alle Beschäftigten, die nicht im Homeoffice sind. Gerade in der Alten- und Krankenpflege ist das überfällig.»

Erste Klage gegen Testangebot läuft

Kaum steht der Kabinettsbeschluss, kündigt schon ein erster Verband eine Klage an. Die Wirtschaft solle jetzt Fehler und Versäumnisse der Politik in der Bekämpfung der Corona-Pandemie ausbaden, sagte Markus Jerger, Bundesgeschäftsführer des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW) den Zeitungen der Funke Mediengruppe. «Dagegen muss und wird der Mittelstand sich wehren. Wir bereiten als Verband gerade die dafür erforderlichen rechtlichen Schritte vor.»

Hintergrund/Überblick:

Die Änderungen erfolgen per Verordnung und treten nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger voraussichtlich Mitte kommender Woche in Kraft.

• Arbeitgeber sind verpflichtet, in ihren Betrieben allen Mitarbeitern, die nicht ausschließlich im Homeoffice arbeiten, regelmäßige Selbst- und Schnelltests anzubieten:

• grundsätzlich mindestens 1-mal pro Woche
für besonders gefährdete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die tätigkeitsbedingt häufige Kundenkontakte haben oder körpernahe Dienstleistungen ausführen, mindestens 2-mal pro Woche. Auch Beschäftigte, die vom Arbeitgeber in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden, müssen 2-mal pro Woche ein Testangebot erhalten.
• Die Kosten für die Tests tragen die Arbeitgeber.

Bis zum 30. Juni 2021 verlängert:

Bestehende Corona-Arbeitsschutzregelungen die bis zum 30. Juni 2021 verlängert werden:

  • Arbeitgeber sind verpflichtet, Homeoffice anzubieten; wenn die Tätigkeit dies zulässt.
  • Arbeitgeber sind im Rahmen der Beurteilung der Gefährdungen verpflichtet, betriebliche Hygienepläne zu erstellen, umzusetzen sowie zugänglich zu machen.
  • Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 m zu anderen Personen; auch in Kantinen und Pausenräumen. Tragen von medizinischem Mund-Nasen-Schutz oder Atemschutzmasken, wo dies nicht möglich ist.
  • Arbeitgeber müssen diese zur Verfügung stellen.
  • Arbeitgeber müssen eine ausreichende Handhygiene am Arbeitsplatz sicherstellen.
  • Regelmäßiges Lüften muss gewährleistet sein.
  • Es gelten strenge betriebliche Regelungen zur Kontaktvermeidung im Betrieb:
  • Müssen Räume von mehreren Personen gleichzeitig genutzt werden, müssen pro Person 10 m² zur Verfügung stehen.
  • In Betrieben ab 10 Beschäftigten müssen diese in möglichst kleine, feste Arbeitsgruppen eingeteilt werden. Kontakte zwischen den Gruppen sind zu vermeiden.
  • Die zuständigen Arbeitsschutzbehörden können die Einhaltung aller Anforderungen der Verordnung im Einzelfall durch behördliche Anordnungen durchsetzen und Verstöße gegen ihre Anordnung mit einem Bußgeld von bis zu einer Höhe von 30.000 € ahnden.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) will Unternehmen nicht für zusätzliche Kosten durch die geplante Corona-Testangebotspflicht entschädigen. | Foto: Christophe Gateau/dpa
Hubertus Heil (SPD), Bundesminister für Arbeit und Soziales. | Foto: Hannibal Hanschke/Reuters/Pool/dpa
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Nicole Fuchsbauer aus Nürnberg

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