Prof. Dr. Siegfried Balleis & Hans-Peter Schmidt
Zukunft braucht Herkunft: Die Gründerväter der Metropolregion Nürnberg im Interview!

Stabwechsel: Erlangens Alt-OB Prof. Dr. Siegfried Balleis (links) übernimmt das Amt des Vorsitzenden des Kuratoriums des Fördervereins Wirtschaft der Metropolregion Nürnberg vom ehemaligen Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzenden der Nürnberger Versicherung Hans-Peter Schmidt. | Foto: Kurt Fuchs
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  • Stabwechsel: Erlangens Alt-OB Prof. Dr. Siegfried Balleis (links) übernimmt das Amt des Vorsitzenden des Kuratoriums des Fördervereins Wirtschaft der Metropolregion Nürnberg vom ehemaligen Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzenden der Nürnberger Versicherung Hans-Peter Schmidt.
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METROPOLREGION NÜRNBERG – Steigende Energie- und Rohstoffpreise, Lieferengpässe, Fachkräftemangel und Transformation – wenn sich unsere Unternehmen über die aktuell wichtigsten Themen beraten, dann tun sie das in der Mitgliederversammlung des Fördervereins Wirtschaft der Metropolregion. Einen Wechsel gab es nun im wichtigen Kuratorium (derzeit 19 Mitglieder) des Fördervereins: Prof. Dr. Siegfried Balleis wurde zum neuen Vorsitzenden gewählt.

Der Alt-OB und Ehrenbürger der Stadt Erlangen ist einer der Gründungsväter der Metropolregion, der sich seit Jahren für die regionale Allianz stark macht. Von 2011 bis 2014 war er Ratsvorsitzender. „Ich freue mich sehr darauf, mich in der neuen Funktion für den Förderverein und die Metropolregion zu engagieren“, sagt Prof. Balleis.

Sein Vorgänger Hans-Peter Schmidt verabschiedete sich nach mehr als 23 Jahren Engagement für die Region, das 1999 mit dem Kuratoriumsvorsitz des Marketingvereins der Region Nürnberg begann. Der ehemalige Vorstands- und Aufsichtsratsvorsitzende der Nürnberger Versicherung war einer der Initiatoren der Metropolregion und setzte sich über viele Jahre für deren Entwicklung ein.
Im MarktSpiegel spechen die beiden über Vergangenheit und Ziele.

MarktSpiegel: Herr Schmidt, was ist das eigentlich – diese Europäische Metropolregion Nürnberg?
Hans-Peter Schmidt: „Sie dient der Zusammengehörigkeit von Wirtschaft, Wissenschaft und Sport. Aber natürlich geht’s immer um den Menschen. In den 90er-Jahren haben wir erkannt, dass wir in vielen Dingen führend waren – nur ist es nicht ,nach außen’ gedrungen. OB Peter Schönlein hat das Ziel Anerkennung als Metropolregion damals für Nürnberg angeschoben, nur war er von der SPD und die Regierung von Bayern von der CSU. Der entsprechende Antrag 2003 wurde abgelehnt. Ich habe dann an den damaligen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber geschrieben und binnen eines Monats zusammen mit Erwin Huber erreicht, dass Nürnberg zur Europäischen Metropolregion ausgerufen wird. Er ist Niederbayer, ich bin Oberpfälzer. Wir kamen bestens miteinander aus.“

Prof. Dr. Siegfried Balleis: „Das war wirklich sensationell. Man muss sich vorstellen: Im Landtag zwei Wochen vorher die Ablehnung – und dann durch Intervention von Hans-Peter Schmidt den Ministerpräsidenten überzeugt. Stoiber wusste natürlich, dass im Herbst Landtagswahl war – die wurde ja dann auch zu einem Erfolg für ihn. Das Besondere daran war, dass wir damit in Bayern zwei Metropolregionen haben.“

MarktSpiegel: Was haben wir in der Praxis davon?
Schmidt: „Nach aktuellen Zahlen fehlen uns zum Beispiel 500.000 Fachkräfte in Deutschland. Eine Metropolregion hat da natürlich mehr Anziehungskraft als ein Nobody. Wir sind mit Siemens, Schaeffler, Adidas und Puma eine herausragende Industrieregion – nicht zu vergessen der starke Mittelstand. Wir sind der verkehrsmäßig am besten ausgestattete Knoten der Welt. Wir haben mit A3, A6 und A9 das mächtigste Autobahnkreuz Europas – und immer noch sind 70, 80 Prozent des Güterverkehrs auf der Straße. Wir sind der Stern Europas! Bei der Bahn haben wir 100 ICE- und IC-Verbindungen. Dazu kommt der Main-Donau-Kanal. Wer weiß denn schon, dass in Nürnberg 1.000 Fahrgast-Schiffe pro Jahr anlegen? Und wir haben wieder 70 Direkt-Destinationen vom Flughafen aus. Diese Kombination ist einmalig. Dagegen liegt München ja abseits! Die haben bloß die Isar – und den Flughafen.“

Balleis: „Man muss an der Stelle einmal betonen, wie Hans-Peter Schmidt zusammen mit dem damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden der Siemens AG, Hermann Franz – 2016 verstorben –, unheimlich viel vorangetrieben hat, was die Finanzierung der PR-Kampagne für die Metropolregion betrifft. Bis zur Kommunalwahl 1996, als dann drei schwarze Oberbürgermeister mit Scholz, Wenning und mir kamen, hatte sich diese Region hauptsächlich durch Jammern und ,Wir sind nur zweiter neben München’ kleingemacht. Aus der Larmoyanz wollten wir raus – und da haben Hans-Peter Schmidt und Herrmann Franz unschätzbar viel geleistet.“

MarktSpiegel: Herr Prof. Balleis, Sie sind nun zu einer Schlüsselfigur des Kuratoriums des Fördervereins Wirtschaft der Metropolregion gewählt worden...
Balleis:
„Das Kuratorium versammelt Persönlichkeiten aus der Region, die diesen Gedanken unterstützen und in ihren Organisationen wiederum als Multiplikatoren wirken. Peter Schmidt hat es nahezu ein Vierteljahrhundert Jahre geleitet und mich als Nachfolger vorgeschlagen, was mich sehr ehrt. Nachdem ich schon einmal Ratsvorsitzender war und die Erfahrung von 18 Jahren als Oberbürgermeister mitbringe, habe ich seinen Vorschlag dankbar angenommen.“

MarktSpiegel: Was war Ihre erste Amtshandlung?
Balleis: „Ich habe gleich ein konkretes Projekt gestartet. Ich habe gesagt: Zukunft braucht Herkunft. Wir sind ja immer auf neue technologische Entwicklungen aus der Region fokussiert, denken Sie an den MP3-Player, Lasertechnologie, Mikroelektronik. Oder den Quantencomputer, der die Zukunft revolutionieren wird. Wir sind eine wissenschaftlich-technologische Region, keine Finanzmetropole wie Frankfurt. Wir haben in Tennenlohe schon 1986 das erste interkommunale Gründer- und Technologiezentrum gehabt. 2003 ist in Erlangen das Medical Valley Center entstanden, und jetzt seit fünf Jahren mit massivem Einsatz von Ex-BDI-Präsident Dieter Kempf den Zollhof, auch ein Gründerzentrum. Das ist eine logische Entwicklung. Diese Stärken wollen wir kommunizieren. Nicht zuletzt mit einem neuen Buch, das wir zusammen mit den IHK-Präsidenten der vergangenen Jahrzehnten und dem Fotografen Kurt Fuchs herausbringen werden.“

MarktSpiegel: Was treibt Sie nach Ihrer aktiven Karriere an?
Balleis:
„Ich war immer ein glühender Verfechter der Europäischen Metropolregion Nürnberg, auch wenn ich hauptsächlich für Erlangen Verantwortung getragen habe. Daher bin ich dem Ruf von Hans-Peter Schmidt begeistert gefolgt. Ich bin nach dem Ausscheiden aus dem Amt ja immer weiter aktiv gewesen, war drei Jahre Sonderbeauftragter der Bundesregierung für das Sofortprogramm Saubere Luft. Da haben wir tolle Erfolge gehabt, eine unglaublich spannende Aufgabe. Anfangs hatten wir 90 Städte, die die Grenzwerte gerissen haben, heute sind es noch drei. Ich bin keiner, der daheim auf dem Sofa sitzt oder nur auf Golfplätzen herumläuft.“

MarktSpiegel: Herr Schmidt, was werden Sie in Zukunft tun?
Schmidt:
„Wenn Sie über viele Jahre das Glück haben, Verantwortung tragen zu dürfen und dabei Erfolge zu haben, dann möchten Sie etwas zurückgeben. Die Integration von Zuwanderern ist eine Aufgabe, der ich mich verschrieben habe. Wir gehen in die Kitas, bringen Kindern ab drei Jahren 800 deutsche Begriffe bei. Wir haben rund 150.000 Schulkinder in der Region, die Deutsch als Zweitsprache lernen. An der bayerisch-tschechischen Grenze bieten wir von Marktredwitz bis Passau zweisprachigen Unterricht an. Wir haben in Bayern 40.000 Pflegerinnen und Hilfskräfte. Ich bin selbst als Flüchtling hierher gekommen – und möchte mich aus diesem persönlichen Erleben heraus engagieren. Ich bin aber nicht selbstlos. Wir brauchen diese Menschen. Wir brauchen Ärzte, Wissenschaftler, Arbeitskräfte!“

Autor:

Peter Maskow aus Nürnberg

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