GDL-Mitglieder wollen unbefristet streiken
Damit müssen Zugreisende ab dem 7. Januar 2024 rechnen

Der Hinweis «GDL-Streik» leuchtet auf der Fahrgastinformationsanzeige in einem Bahnhof. Die Lokführergewerkschaft GDL darf im Tarifkonflikt mit der Deutschen Bahn nun auch zu unbefristeten Streiks aufrufen. | Foto:  Arne Dedert/dpa (Symbolbild)
  • Der Hinweis «GDL-Streik» leuchtet auf der Fahrgastinformationsanzeige in einem Bahnhof. Die Lokführergewerkschaft GDL darf im Tarifkonflikt mit der Deutschen Bahn nun auch zu unbefristeten Streiks aufrufen.
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Von Christian Ebner, Fabian Nitschmann und Matthias Arnold, dpa
BERLIN/FRANKFURT AM MAIN (dpa) - Kurz vor den Feiertagen macht die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer unmissverständlich deutlich: Das neue Jahr wird auf der Schiene wohl ungemütlich beginnen. Eine klare Mehrheit der Gewerkschaftsmitglieder sprach sich bei einer Urabstimmung, die am Dienstag endete, für längere Arbeitskämpfe aus. Damit sind unbefristete Streiks nun möglich.

Schon am Morgen zu Beginn der Auszählung gab es wenig Zweifel, am späten Nachmittag stellte Gewerkschaftschef Claus Weselsky dann klar: «Die Mitglieder wollen Streiks.» An die Fahrgäste ging die Warnung, dass die bisherigen Warnstreiks nur Vorgeplänkel gewesen seien: «Was jetzt kommt wird kräftiger, länger und härter für die Kunden.»

GDL-Chef hat nun freie Hand

Mit der Urabstimmung hat GDL-Chef Claus Weselsky freie Hand, im neuen Jahr die Bahn auch über mehrere Tage hinweg zu bestreiken. Konkrete Termine oder eine mögliche Dauer vermied der GDL-Chef. Er will aber zunächst nicht unbefristet streiken, sagte er in Frankfurt. Doch dass sich Fahrgäste noch im Januar auf weitere Arbeitskämpfe gefasst machen müssen, hat Weselsky bereits angekündigt.

Die Gewerkschaft erneuerte ihr Versprechen, bis einschließlich 7. Januar nicht zu Arbeitskämpfen aufzurufen. Danach aber endet der «Weihnachtsfrieden» im laufenden Tarifkonflikt. Man müsse auch nicht zwangsläufig streiken, erklärte der GDL-Chef und verwies auf verhandlungsbereite Bahn-Konkurrenten. Von der Deutschen Bahn seien aber bislang keine Signale gekommen.

Rekordergebnis bei Urabstimmung

Bei der Bahn und dem Eisenbahnunternehmen Transdev stimmten 97 Prozent der teilnehmenden Mitglieder für Streiks, nach gewerkschaftlichen Angaben ein Rekordergebnis. Für unbefristete Streiks waren laut Satzung 75 Prozent Zustimmung nötig. Nur so kann gewährleistet werden, dass eine breite Mehrheit der Mitglieder die Strategie der Gewerkschaftsführung auch unterstützt. Laut Weselsky lag die Wahlbeteiligung bei mehr als 70 Prozent.

Bereits zweimal hat die GDL im laufenden Tarifkonflikt bei der Bahn zum Ausstand aufgerufen - einmal für 20 und einmal für 24 Stunden. Bei beiden Warnstreiks kam es zu weitreichenden Einschränkungen im Fern- und Regionalverkehr, die allerdings je nach Region sehr unterschiedlich ausfielen. Sollte es jetzt zu längeren Streiks kommen, werde die GDL diese 48 Stunden vor Beginn ankündigen, sagte Weselsky.

Insgesamt gab es in diesem Jahr viermal Warnstreiks bei der Bahn. Vor der GDL verhandelte sie monatelang mit der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), die mit der GDL im bundeseigenen Konzern um Mitglieder konkurriert. Zwei Mal musste die Bahn den Fernverkehr dabei sogar vollständig einstellen. Das war bei der GDL bisher nicht der Fall.

Bahn setzt auf Notfahrpläne

Auch bei den anstehenden Arbeitskämpfen ist die Bahn zuversichtlich, zumindest ein Grundangebot aufrecht halten zu können. «Wir sind für mögliche Streik-Szenarien vorbereitet», teilte der bundeseigene Konzern am Abend nach der Verkündung des Urabstimmungsergebnisses mit. «Im Regional- und Fernverkehr hat sich ein Notfahrplan bewährt», hieß es. «Dieser umfasst im Fernverkehr rund 20 Prozent des üblichen Fahrplanangebots. Auch im Regional- und S-Bahn-Verkehr haben wir vor Ort entsprechende Notfahrpläne entwickelt.»

Die GDL und die Deutsche Bahn verhandeln im aktuellen Tarifkonflikt erst seit Anfang November, doch schon stecken beide Tarifparteien in einer Sackgasse. Bereits nach der zweiten Runde erklärte Weselsky die Verhandlungen für gescheitert. Beim Bahn-Wettbewerber Transdev, mit dem die GDL ebenfalls über neue Tarife ringt, ließ sie die Verhandlungen wenige Wochen später ebenfalls scheitern.

Knackpunkt ist die Arbeitszeit

Ein zentraler Knackpunkt des Konflikts bei beiden Unternehmen ist die von der GDL geforderte Absenkung der Wochenarbeitszeit für Schichtarbeiter bei vollem Lohn. Die Gewerkschaft will eine Absenkung von 38 auf 35 Stunden erreichen. Die Bahn hält das unter anderem mit Blick auf den Fachkräftemangel für unerfüllbar. Zudem fordert die Gewerkschaft unter anderem 555 Euro mehr pro Monat sowie eine steuer- und abgabenfreie Inflationsausgleichsprämie. Die Bahn hat bereits unter anderem elf Prozent mehr in Aussicht gestellt, bei einer Laufzeit von 32 Monaten.

Erst vor wenigen Tagen erreichte die GDL in Verhandlungen mit einem weiteren Bahn-Unternehmen, der italienischen Staatsbahn-Tochter Netinera, eine solche Regelung. Dort wird die 35-Stunden-Woche für Schichtarbeiter schrittweise ab dem 1. Januar 2025 eingeführt. Netinera ist deutlich kleiner als die Deutsche Bahn und beschäftigt in Deutschland viel weniger Menschen. Die GDL will nach Weselskys Worten das Netinera-Ergebnis als Muster in der gesamten Branche durchsetzen. «Wir haben uns verpflichtet, vergleichbare Abschlüsse im Markt zu erzielen», sagte er. «Wir werden nicht lockerlassen.»

Tagelange Streiks nicht ausgeschlossen

Bei vorigen Tarifrunden waren mehrtägige Streiks keine Seltenheit. Der bisher längste GDL-Streik bei der Bahn fand mit 127 Stunden (5 Tage plus 7 Stunden) im Personenverkehr und 138 Streikstunden (5 Tage plus 18 Stunden) im Güterverkehr im Mai 2015 statt. 2021 streikte die GDL für etwa fünf Tage.

Ob die GDL nach dem Weihnachtsfrieden direkt mit einem solch langen Arbeitskampf den Tarifkonflikt wieder aufnimmt, bleibt abzuwarten. Schon mehrmals im laufenden Tarifkonflikt hat die Gewerkschaft mit ihren Maßnahmen überrascht und gezeigt, dass sie sich an kein Drehbuch hält. «Wir sind so verantwortungsbewusst, dass wir nicht auf ewige Zeiten streiken werden», sagte Weselsky zwar kürzlich. Bei weiteren 24-Stunden-Streiks bleibe es aber eben auch nicht.

© dpa-infocom, dpa:231219-99-345199

Autor:

Victor Schlampp aus Schwabach

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