Telefonbetrug: Falsche Polizisten wollen Geld
Diese Masche wird immer beliebter - zwei Täter stehen in München vor Gericht

Das Strafgesetzbuch und Akten liegen in einem Gericht auf dem Tisch. | Foto: Swen Pförtner/dpa/Symbolbild
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Von Tom Sundermann, dpa
MÜNCHEN (dpa/lby) - Der Anruf kommt völlig unerwartet. «Hallo Mama. Ich hatte einen schrecklichen Autounfall», schluchzt eine Frau. «Ich bin bei der Polizei. Ich wurde festgenommen. Ich habe eine Frau überfahren.» Da sitzt der Schock erst einmal tief - und ist Auftakt einer perfiden Betrugsmasche, die in den vergangenen Jahren immer häufiger geworden ist.

Wegen sogenannter Schockanrufe müssen sich aktuell zwei Männer in verschiedenen Verfahren vor den Landgerichten in München verantworten. Sie sollen als Teil von organisierten Banden vornehmlich ältere Opfer um insgesamt fast 300.000 Euro betrogen haben. Zum Auftakt des ersten Verfahrens am Montag hatte der Angeklagte gestanden, als sogenannter Abholer Bargeld und Schmuck von seinen Opfern eingesammelt zu haben. Aktuell läuft er zweite Prozess.

Die Anrufe der Gruppen dürften in etwa so begonnen haben, wie zu Beginn geschildert - in einem Anruf, den die bayerische Polizei mitgeschnitten hat. Der weitere Verlauf der Masche ist fast immer gleich: Nach dem vermeintlichen Angehörigen übernimmt ein angeblicher Polizist oder die Staatsanwaltschaft das Gespräch, redet auf die Angerufenen ein, droht, dass der Verwandte wegen eines selbst verursachten Unfalls in Untersuchungshaft müsse. Außer, es wird eine Kaution von mehreren Zehntausend Euro gestellt, zu übergeben an einen Kurier - den Abholer. Die Anrufe ziehen sich nicht selten über Stunden und enden mit dem Verlust des gesamten Ersparten.

Ein lohnendes Schema, das die Täter nach und nach ausbauen: Registrierte die bayerische Polizei im Jahr 2019 noch knapp 3000 Anzeigen in der Kategorie «Enkeltrick/Schock per Telefonanruf», waren es im abgelaufenen Jahr fast viermal so viele. In mehr als 600 Fällen waren die Täter dabei erfolgreich. Der Schaden belief sich zuletzt auf einen zweistelligen Millionenbetrag.

Das entscheidende Element der Telefonate: die vorgetäuschte extreme Notlage. «Die emotionale Betroffenheit, die die Opfer verspüren, ist wirklich heftig», sagt Juliane Lomb, stellvertretende Leiterin des Referats für Wirtschaftskriminalität beim Bundeskriminalamt. Den Angerufenen wird eine nahezu perfekte Show geliefert, mit weitaus mehr Druck als beim seit Langem praktizierten sogenannten Enkeltrick. «Wenn der vermeintliche Angehörige am Telefon mit weinerlicher Stimme agiert, ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Opfer die Geschichte glaubt, viel höher.»

Die Täter handeln nach Erkenntnis der Polizei vorwiegend aus dem Ausland. Das Bundeskriminalamt hat Polen, Tschechien und Großbritannien als Schwerpunkte ausgemacht. Vor Ort läuft nur die Abholung von Geld und Sachwerten ab, die dann schnell über die Grenze gebracht werden. Die Opfer sitzen in ganz Deutschland und auch in Nachbarländern. Einzelne Regionen, in denen sich die Arbeit eines Abholers bündeln lässt, sind wellenartig betroffen.

Im Dezember 2022 rief eine Bande viermal in Stuttgart und im österreichischen Innsbruck an, zweimal war sie erfolgreich. Abholer war laut Staatsanwaltschaft der 21-jährige Mann, der seit Montag vor Gericht steht. Die Gruppe, deren 43-jähriges Mitglied sich ab Freitag verantworten muss, arbeitete der Anklagebehörde zufolge ein Gebiet vom Saarland bis München ab. Bei zwei von sieben Anrufen funktionierte die Masche.

Die Telefonnummern besorgten sich die Kriminellen oft aus dem Telefonbuch, doch auch im Darknet kursierten Listen mit Kontaktdaten möglicher Opfer, sagt Juliane Lomb vom Bundeskriminalamt. Wer selbst einen Anruf erhält, in dem die Polizei Bargeld verlangt, der solle gleich auflegen und den Notruf wählen. Die Ermittlerin geht allerdings davon aus, dass viele Fälle der Polizei gar nicht bekannt werden. Häufig würden Opfer den Betrug nicht anzeigen: Sie schämten sich, dass sie auf den Trick hereingefallen sind.

Autor:

Victor Schlampp aus Schwabach

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