Zu wenig Kita-Plätze in Deutschland
In einigen Bundesländern ist die Lage besonders dramatisch

Ein Betreuerin läuft mit mehreren Kleinkindern durch München. | Foto: Peter Kneffel/dpa
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BERLIN (dpa/vs) - Im kommenden Jahr stehen einer Bertelsmann-Studie zufolge deutlich weniger Kita-Plätze zur Verfügung, als benötigt werden. Wie aus neuen Berechnungen für den bundesweiten Ländermonitor Frühkindliche Bildung hervorgeht, fehlen 2023 bundesweit voraussichtlich knapp 384.000 Plätze. Dabei gibt es deutliche Unterschiede in einzelnen Bundesländern.

Besonders im Westen Deutschlands, wo 362.400 zusätzliche Betreuungsplätze gebraucht werden, gibt es demnach gegenüber dem Osten mit 21.200 benötigten Plätzen eine große Versorgungslücke. Um der Nachfrage gerecht zu werden, müssten im Westen 93.700 Fachkräfte und im Osten 4900 eingestellt werden, teilte die Stiftung mit. Das ergebe zusätzliche Personalkosten von insgesamt 4,3 Milliarden Euro pro Jahr.

Größter Mangel in NRW

Grundlage der Berechnung, die der dpa vorab vorliegt, sind Erhebungen aus dem Jahr 2021. Die Analyse ergibt für fast alle Bundesländer, dass die Nachfrage der Eltern nach Kita-Plätzen höher ist als der Anteil an Kindern, die im vergangenen Jahr in Betreuung waren. Der größte Mangel besteht demnach im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen mit 101.600 fehlenden Kita-Plätzen. In Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen sei dagegen kein Ausbau der Plätze nötig.

Der Ausbaubedarf ist den Berechnungen zufolge für Kinder unter drei Jahren am höchsten. Demnach fehlen für diese Gruppe in Westdeutschland rund 250.300 Kita-Plätze, in Ost-Deutschland - inklusive Berlin - sind es rund 20.700.

Kinderhilfswerk fordert mehr Anstrengungen

Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert von Bund, Ländern und Kommunen größere Anstrengungen. «Die heute von der Bertelsmann Stiftung vorgelegten Zahlen zu fehlenden Kita-Plätzen und der an vielen Stellen mangelhaften Personalausstattung in deutschen Kitas sind keine Überraschung, sondern vielmehr ein weiteres Alarmsignal», sagte Holger Hofmann, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Kinderhilfswerkes.

So hätten schon mehrfach Kita-Fachkräfte Alarm geschlagen, da sie das Kindeswohl kaum gewährleisten könnten. «Das darf nicht weiter mehr oder weniger achselzuckend hingenommen werden», sagte Hofmann. Neben einer Fachkräfte-Offensive braucht es aus Sicht der Kinderrechtsorganisation mehr finanzielle Mittel und bundeseinheitliche Mindeststandards bei der Qualität der Betreuung. Zudem müsse der Bau von Kindertageseinrichtungen gefördert werden. Die im Kita-Qualitätsgesetz vorgesehenen zwei Milliarden Euro für die nächsten beiden Jahre seien hier ein guter Anfang, hieß es weiter.

Seit 2013 gibt es in Deutschland einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr, für Kinder ab drei Jahren besteht er schon seit 1996. Auch im kommenden Jahr werde dieser Rechtsanspruch nicht erfüllt, beklagen die Studienautoren.

So ist die Lage in Bayern

In Bayern werden auch im nächsten Jahr viele Eltern Schwierigkeiten haben, einen Kita-Platz für ihre Kinder zu finden. Gemessen am Betreuungsbedarf fehlen im kommenden Jahr voraussichtlich fast 62.000 Kita-Plätze im Freistaat, wie sich aus den am Donnerstag veröffentlichten Berechnungen der Bertelsmann Stiftung in Gütersloh zu den frühkindlichen Bildungssystemen ergibt. Größtes Problem ist demnach weiterhin der Fachkräftemangel. Um die Nachfrage nach Kita-Plätzen zu decken, müssten 14.500 zusätzliche Kräfte eingestellt werden. Dadurch summierten sich allein die zusätzlichen Personalkosten auf mehr als 603 Millionen Euro jährlich.

Die Zahlen belegen nach Angaben der Bertelsmann Stiftung, dass Bayern auch 2023 den gesetzlich verankerten Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für jedes Kind nicht erfüllen kann. «Das ist in doppelter Hinsicht untragbar: Die Eltern werden bei der Betreuung ihrer Kinder nicht unterstützt, während Kindern ihr Recht auf professionelle Begleitung in ihrer frühen Bildung vorenthalten wird», teilte die Expertin für frühkindliche Bildung der Bertelsmann Stiftung, Kathrin Bock-Famulla, mit.

Nur ein Kita-Platz mit hoher Qualität fördere die Kinder in ihrer Entwicklung. Eine Voraussetzung dafür sei qualifiziertes Personal, erläuterte die Expertin. In Bayern würden aber immer noch 61 Prozent der Kita-Kinder in Gruppen betreut, deren Personalschlüssel nicht den wissenschaftlichen Empfehlungen entsprächen - auch wenn diese über dem Bundeswert liegen. Damit es im kommenden Jahr in Bayern nicht nur ausreichend Kita-Plätze, sondern auch überall kindgerechte Personalschlüssel gebe, müssten rund 35.300 Fachkräfte zusätzlich beschäftigt werden.

Autor:

Victor Schlampp aus Schwabach

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