Olaf Scholz: "Vertrauen Sie mir"
Deutsche Panzer für den Einsatz gegen Russland

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).  | Foto:  Michael Kappeler/dpa
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BERLIN (dpa) - Jetzt hat er es also doch noch getan. Am Mittwoch um 11.36 Uhr gibt Bundeskanzler Olaf Scholz den Marschbefehl für die Kampfpanzer Leopard 2 - per E-Mail seines Regierungssprechers. 14 Exemplare aus den Beständen der Bundeswehr sollen die Ukraine im Krieg gegen die russischen Angreifer unterstützen. 74 Leoparden aus anderen europäischen Ländern sollen hinzukommen, um zwei Bataillone ausrüsten zu können. «Diese Entscheidung folgt unserer bekannten Linie, die Ukraine nach Kräften zu unterstützen», erklärt der Kanzler.

Es ist nicht weniger als eine europäische Kampfpanzer-Allianz für die Ukraine, die Scholz da in der kurzen Mitteilung verkündet. Von der Ukraine wird sie schon lange gefordert, von Polen wurde sie zuletzt mit massivem öffentlichem Druck vorangetrieben. Jetzt setzt sich der Kanzler an die Spitze der Panzer-Bewegung. Sein Wort entscheidet, weil die Leopard-Panzer in Deutschland produziert werden und die Bundesregierung über jeden Export in die Ukraine entscheidet.

Wochenlang hat der Kanzler eisern zu dem Thema geschwiegen. Das Drängeln der Verbündeten, die Kritik der Koalitionäre bis an die Grenze der Beschimpfung - all das ließ er an sich abprallen. So oft er auch nach den Kampfpanzern gefragt wurde, Leopard 2 ging ihm selbst nicht über Lippen. So war es auch schon mal bei Nord Stream 2, als viele die Kappung der Gasleitung nach Russland von ihm wollten. Aber Drängeln funktioniert bei Scholz nicht. Man bewirkt das Gegenteil bei ihm. Er sagt dann erst recht nichts.

UPDATE/Entscheidung mit Tragweite: Deutschland liefert Leopard-Kampfpanzer

Sturheit oder erfolgreiche Führungsstrategie?

Seine Kritiker nennen das Sturheit. Der Kanzler hält es für eine erfolgreiche Führungsstrategie: Über Entscheidungen wird erst gesprochen, wenn sie getroffen sind. Die Entscheidungsfindung gehört für ihn hinter verschlossene Türen, in möglichst kleine Zirkel derer, auf die es ankommt. Bei den Panzern war das für Scholz vor allem einer: US-Präsident Joe Biden. Leute wie Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP oder Anton Hofreiter von den Grünen, die ihn in den vergangenen Wochen immer wieder hart attackiert haben, verbucht Scholz eher unter Getöse.

«Wir werden uns weiterhin nicht von öffentlichem Druck und von lautem Gerede beeindrucken lassen», sagt der SPD-Politiker, als er seine Entscheidung am Nachmittag im Bundestag begründet. Und an die Menschen in Deutschland gerichtet, die sich Sorgen machen, Deutschland könnte noch weiter in den Krieg hineingezogen werden, sagt er: «Vertrauen Sie mir. Vertrauen Sie der Bundesregierung.» Er werde weiter Unterstützung für die Ukraine ermöglichen, «ohne dass die Risiken für unser Land darüber in eine falsche Richtung wachsen». Das ist die zentrale Botschaft des Kanzlers an diesem Tag.

Wird Deutschland zur Kriegspartei?

Die Sorge davor, dass der Krieg so weit eskalieren könnte, dass er zu einer Konfrontation zwischen der Nato und der Ukraine wird, hat Scholz von Anfang an geleitet. Trotz aller Bedenken machte die Bundesregierung aber immer wieder qualitativ neue Schritte bei den Waffenlieferungen - von der Panzerfaust über die Panzerhaubitze zu den Schützenpanzern. Und jetzt der Leopard, der vielleicht schlagkräftigste Panzer der Welt. Ist das jetzt der «Gamechanger», der Deutschland zur Kriegspartei macht?

Das wird auch der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Mittwoch in Berlin nach einem Treffen des Verteidigungsausschusses gefragt. Pistorius holt Luft: «Das muss jeder für sich entscheiden. Ich persönlich habe großes Verständnis für die Menschen in Deutschland und in Europa, die sich Sorgen machen», sagt er.

Scholz nennt rote Linien - Und Russland?

Die Bundesregierung betont immer wieder, dass Deutschland völkerrechtlich nicht Kriegspartei sei. Die richtige Haltung sei Einigkeit mit den Verbündeten, Angst jedoch ein schlechter Berater. Aber was ist mit der anderen Seite, den Russen? «Bislang kann man nicht sagen, dass der russische Präsident Anlässe gebraucht hätte, um seinerseits Entscheidungen zur Eskalation zu treffen», sagt Pistorius.

Auf deutscher Seite gibt es dagegen sehr wohl rote Linien, das macht Scholz im Bundestag sehr deutlich. Die Lieferung von Kampfflugzeugen, die aus der Ukraine bereits gefordert wird, schließt der Kanzler aus. Die Entsendung deutscher Soldaten kommt für ihn ohnehin nicht infrage. «Ich habe gesagt, es wird keine direkte Beteiligung von Nato-Soldaten in dem Ukraine-Krieg geben. Das ist bisher nicht der Fall und das wird auch in Zukunft nicht der Fall sein. Und darauf können sich alle verlassen», verspricht Scholz.

Misstrauen gegenüber Deutschland ist zurückgekehrt

Mit dem Ausgang der Panzer-Debatte dürften diejenigen, die Scholz als Zögerer kritisiert haben, nun zufrieden sein. Auf dem Weg dorthin ist aber einiger Schaden entstanden. Deutschland stand wieder einmal als Bremser da. Bei den osteuropäischen Partnern kam das alte Misstrauen wieder hoch, auf Deutschland sei in militärischen Fragen am Ende kein Verlass. Hätte man das bei aller Notwendigkeit einer vertraulichen Entscheidungsfindung nicht durch eine etwas offenere Kommunikation verhindern können? Diese Frage muss Scholz sich gefallen lassen.

Und auch über die Frage, ob Scholz mehr Getriebener oder Antreiber in der Panzer-Debatte war, wird noch diskutiert werden. Seine Skepsis war jedenfalls lange sehr groß. Am Ende hat er dann aber mindestens dazu beigetragen, dass auch die USA wohl ihre Abrams-Panzer liefern wollen. Das war Scholz wichtig, um Risiken auf möglichst starke Schultern zu verteilen.

Ausbildung, Ersatzteile, Munition - ein ganzes Paket

Wie geht es nun weiter? Deutschland stellt 14 Leopard 2A6, Polen ebenfalls 14 der älteren Version 2A4. Die beiden Länder stellen jeweils den Kern eines Leopard-Bataillons. Auch die Niederlande wollen Panzer liefern, Finnland hat Bereitschaft erklärt.

«Wir beginnen jetzt sehr schnell mit der Ausbildung. Wir werden sehr schnell die Nachschubwege klären, und ich denke, dass die ersten Leopard-Panzer in drei Monaten etwa in der Ukraine seien können», sagt Pistorius. Er hat deutlich gemacht, dass es um ein ganzes Paket geht bis hin zur Versorgung der kämpfenden Ukrainer mit Ersatzteilen und Munition.

Zudem lassen Worte aus der offiziellen Mitteilung der Bundesregierung aufmerken: Die 14 Kampfpanzer seien ein «erster Schritt». Es könnten also auch noch mehr als die knapp 90 Panzer werden. Hinter den Kulissen kursierten schon Zahlen von bis zu 300 Leopard-Panzern, die insgesamt für die Ukraine bereitgestellt werden könnten.

Die Bundeswehr wird erstmal weiter geschwächt

Die Entscheidung hat auch Auswirkungen für die Bundeswehr. Militärfachleute warnen bereits davor, die eigene Verteidigungsfähigkeit aus dem Blick zu verlieren - auch wenn sie die Panzer-Entscheidung begrüßen. Es sind zwei Seiten einer Medaille.

«Ich hoffe sehr, dass es den tapferen Ukrainern damit gelingt, den Angriffen der russischen Armee weiter standzuhalten und ihre territoriale Integrität wieder herzustellen», sagt der Bundesvorsitzende des Bundeswehrverbandes, Oberst André Wüstner, der Deutschen Presse-Agentur. Allerdings müsse nun den Blick weiten und «immer mit dem Schlimmsten rechnen», wer seiner Verantwortung gerecht werden wolle. «Was ist, wenn es nicht gelingt, Putin bis 2025 nachhaltig zu schlagen? Was tun wir, wenn er an anderer Stelle weiter droht und eskaliert?», fragt er und fordert eine Abschreckung, die mit konventionellen Waffen zu unterfüttern ist.

Wüstner warnt: «Worte allein reichen dazu nicht, denn die Lage in der Bundeswehr ist prekär wie nie zuvor. Das übrigens kann auch Auswirkungen auf die Nachwuchsgewinnung haben. Wer will schon in einer Bundeswehr dienen, in der es an allen Ecken und Enden fehlt?» Regierung und Parlament müssten «endlich aufwachen». Es müsse nun schnellstmöglich erklärt werden, wann das fehlende und auch an die Ukraine abgegebene Gerät ersetzt werde. Er nennt Flugabwehr, Artilleriesysteme, Schützenpanzer, Kampfpanzer und Munitionsfertigung, die mit derselben Geschwindigkeit vorangetrieben werden müsse wie der Bau von LNG-Terminals.

Von Michael Fischer und Carsten Hoffmann, dpa

Autor:

Nicole Fuchsbauer aus Nürnberg

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