Immer mehr Widerstand
Offene Kritik: Unmut über den Asyl-Kurs der Grünen

Die Grenze zwischen Marokko und Spanien in Ceuta (Archivbild).  | Foto: Javier Fergo/AP/dpa
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BERLIN (dpa) - Hunderte Grünen-Mitglieder üben offene Kritik an Plänen zur Reform des EU-Asylrechts - und am Kurs des eigenen Spitzenpersonals in der Debatte. Rund 730 Grünen-Mitglieder stehen hinter einem Brief an führende Politiker der eigenen Partei, über den zuerst der «Spiegel» berichtete und der auch der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegt.

Darin heißt es: «Auch wenn die Verhandlungssituation in Brüssel sicherlich schwierig ist und wir sicher sind, dass ihr für die Umsetzung des Koalitionsvertrags kämpft, so ist es doch schwer nachvollziehbar, warum die deutsche Verhandlungsposition nicht annähernd den Inhalten des Koalitionsvertrags entspricht.»

Beratungen über Asylsystem

Die EU-Innenminister beraten am Donnerstag in Luxemburg über die seit Jahren strittige Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Es geht unter anderem um die Frage, ob es Vorprüfungen von Asylanträgen schon an den EU-Außengrenzen geben soll. Die Bundesregierung hat sich dafür offen gezeigt, will aber durchsetzen, dass Minderjährige unter 18 und Familien mit Kindern diese Verfahren nicht durchlaufen müssen. Entsprechend hatten sich auch Außenministerin Annalena Baerbock und Wirtschaftsminister Robert Habeck (beide Grüne) geäußert. Baerbock sagte, Grenzverfahren seien hochproblematisch - der EU-Kommissionsvorschlag sei aber die einzige Chance, auf absehbare Zeit zu einem «geordneten und humanen Verteilungsverfahren» zu kommen.

Berichte über die Prioritäten der Bundesregierung hätten sie «erschüttert», heißt es in dem Schreiben der Grünen. «Die Ausweitung sicherer Drittstaaten, schlechterer Rechtsschutz, verpflichtende Grenzverfahren in Haftlagern und eine massive Verschärfung des gescheiterten Dublin-Systems sind nur einige der Rechtsverschärfungen, die in der vorgeschlagenen Reform des Asylsystems angelegt sind.»

Die Angeschriebenen werden, wie bei Grünen üblich, mit den Vornamen angesprochen. Gemeint sind laut «Spiegel» Baerbock, Habeck, Familienministerin Lisa Paus sowie die Parteivorsitzenden und die Vorsitzenden der Bundestagsfraktion. «Nur mit einem mutigen, realistischen, pragmatischen und menschenrechtsorientierten Blick werden wir die Migrationspolitik in Deutschland und Europa so gestalten können, dass sie funktioniert», heißt es in dem Brief. Unter den Unterzeichnern sind laut «Spiegel» unter anderen die Hamburger Justizsenatorin Anna Gallina, die Fraktionsvorsitzende im thüringischen Landtag, Astrid Rothe-Beinlich, und Grüne-Jugend-Co-Chef Timon Dzienus.

Obwohl die Grünen sich traditionell neben dem Klimaschutz auch für Asyl und Menschenrechte stark machen, war zu Letzterem von führenden Vertretern zuletzt wenig zu hören. Erst in den vergangenen Tagen verlangten Baerbock und Habeck, dass Familien mit Kindern von möglichen Vorprüfungen von Asylanträgen an den EU-Außengrenzen ausgenommen werden - über das Wochenende lief die Stimmensammlung für den Brief.

Grünen versuchen, sich als soziale Kraft zu profilieren

Die Partei sieht sich in mehreren Bereichen unter Druck, allen voran beim Klimaschutz im Gebäudebereich, also dem viel diskutierten Heizungsgesetz. Zugleich versuchen die Grünen seit längerem, sich als soziale Kraft zu profilieren, Stichwort Kindergrundsicherung. Der Fokus lag für wichtige Grüne zuletzt zumindest öffentlich eher auf diesen Themen - eine Verengung, die offenbar auf Widerstand trifft.

Grüne Bundestagsabgeordnete gehören auch zu den zuletzt 31 Unterzeichnern eines anderen Schreibens, in dem vor einer Abschwächung des Rechts auf Asyl gewarnt wird - auch wenn die meisten Unterstützer der SPD angehören, wie auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Auch darüber berichtete der «Spiegel». Auf den Weg gebracht hat es die Initiative Brand New Bundestag, die sich nach eigenen Worten für «eine progressive, zukunftsorientierte Politik» einsetzt.

Die Unterzeichner fürchten unter anderem «haftähnliche Zustände» an den Außengrenzen und Abschiebungen noch während laufender Gerichtsverfahren. Hinter dem Brief stehen neben Bundestagsabgeordneten auch Landtagsabgeordnete aus Niedersachsen, Schleswig-Holstein, NRW und Berlin.

Von Martina Herzog, dpa

Autor:

Nicole Fuchsbauer aus Nürnberg

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