Artenschutz kein Hemmnis für Windräder
In Habecks ,,Osterpaket" liegen ein paar faule Eier

Foto: Julian Stratenschulte/dpa/Symbolbild

BERLIN (dpa/nf) - Das Bundeskabinett will ein umfassendes Gesetzespaket für einen schnelleren Ausbau des Ökostroms aus Wind und Sonne in Deutschland auf den Weg bringen.

Das soll Deutschland beim Erreichen seiner Klimaziele helfen - das Land aber nach dem russischen Angriffs gegen die Ukraine auch möglichst schnell unabhängiger machen von russischen Lieferungen von Gas, Öl und Kohle. Die erneuerbaren Energien seien zu einer Frage der nationalen Sicherheit geworden, hieß es aus Regierungskreisen. Beim «Osterpaket» handle es sich um die größte energiepolitische Novelle seit Jahrzehnten.

FDP will nur unter Vorbehalt zustimmen

Die FDP will dem geplanten umfassenden Gesetzespaket zum Ausbau des Ökostroms im Bundeskabinett nur unter Vorbehalt zustimmen. Das erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Regierungskreisen in Berlin. Die Rede war von einem «besonderen Vorgang», weil wichtige Sachfragen bislang nicht einvernehmlich entschieden worden seien. Es solle aber der Weg freigemacht werden, damit keine Zeit verloren gehe.

In der Vorlage für das Kabinett heißt es demnach, der beschleunigte Ausbau der erneuerbaren Energien sei ein zentrales Ziel der Koalition aus SPD, Grünen und FDP. Der Gesetzentwurf werde hierzu einen wesentlichen Beitrag leisten. Es bestehe aber Einvernehmen, dass im weiteren Verfahren Fragen des Zeitplans, der Klimaneutralität im Stromsektor, die Einführung sogenannter Contracts for Differences und die Option einer neuerlichen Umlagefinanzierung vor dem Hintergrund des Koalitionsvertrags «ergebnisoffen» diskutiert würden.

Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) hatte die Vorhaben bereits im Januar angekündigt - «Osterpaket» deswegen, weil das Kabinett die geplanten Gesetzesänderungen noch vor Ostern beschließen sollte. Das Gesetzespaket umfasst insgesamt mehr als 500 Seiten, wie es aus Regierungskreisen hieß.

Artenschutz als Hemmnis

Im Kern geht es vor allem um eine Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Die erneuerbaren Energien sollen künftig im überragenden öffentlichen Interesse liegen und der öffentlichen Sicherheit dienen. Das soll Genehmigungsverfahren beschleunigen und Gerichtsverfahren erleichtern. Gegen neue Windräder wird oft geklagt. 

Damit soll auch der Grund für eine artenschutzrechtliche Ausnahme für die Genehmigung von Windenergieanlagen an Land in der Regel vorliegen. Bisher allerdings galt auch ein Konflikt mit dem Artenschutz als Hemmnis für einen schnelleren Ausbau der Windkraft. 

Konkret soll es künftig erstmals bundeseinheitliche, gesetzliche Standards für die Prüfung und Bewertung geben, inwieweit eine Windenergieanlage das «Kollisionsrisiko» für gefährdete Vogelarten signifikant erhöht. Dazu soll es eine Liste kollisionsgefährdeter Brutvogelarten geben - dazu zählen etwa der Seeadler, der Steinadler und der Rotmilan. Geplant sind ein artspezifischer Tabubereich in unmittelbarer Nähe zum Brutplatz sowie weitere Prüfbereiche. Außerhalb der Prüfbereiche ist demnach keine weitere Prüfung mehr erforderlich, da das Tötungsrisiko dort nicht signifikant erhöht sei. Genehmigungsverfahren sollen dadurch vereinfacht und beschleunigt werden. Das Repowering soll erleichtert werden - das ist der Ersatz alter durch neue Anlagen, die leistungsstärker, aber auch höher sind. Ein zentraler Punkt des Kompromisses sind Artenhilfsprogramme, an denen sich Betreiber von Windkraftanlagen beteiligen sollen.

So forderte der Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Sascha Müller-Kraenner, auch Zugvogelarten und Fledermäuse müssten bei Artenschutzauflagen berücksichtigt werden. Der Präsident des Naturschutzbundes Deutschland, Jörg-Andreas Krüger, erklärte, Windenergie sei zentral für eine erfolgreiche Energiewende. Er kritisierte aber: «Leider wurde es den Bundesländern bislang ermöglicht, durch beliebig hohe pauschale Mindestabstände von der Wohnbebauung, eine fehlende räumliche Steuerung der Windenergie sowie fehlende Kapazitäten in den Genehmigungsbehörden den Ausbau der Windenergie abzuwürgen.»

10H steht für Anwohnerschutz 

In Bayern gilt die sogenannte 10-H-Regelung, es ist die bundesweit schärfste ihrer Art zum Abstand von Windrädern zu Wohnhäusern. Sie bedeutet, dass Windräder einen Abstand vom mindestens Zehnfachen ihrer Höhe zur Wohnbebauung haben müssen. Für Habeck ist die 10-H-Regelung das Haupthindernis für den stotternden Ausbau der Windkraft in Bayern. Dabei werden schon jetzt 53 Prozent des Stroms im Freistaat über erneuerbare Energien gewonnen. Den größten Beitrag leistet die Photovoltaik. Ministerpräsident Dr. Markus Söder sagte: «Wind ist aus der Ferne wahnsinnig sympathisch, aus der Nähe manchmal ziemlich erdrückend.» Das trifft so ziemlich die Stimmung bei vielen Bürgerinitiativen, denn vielerorts sind Windparks heftig umstritten. Beklagt werden etwa eine Natur- und Landschaftszerstörung sowie gesundheitliche Beschwerden. Dazu kommt der nicht zufriedenstellend gelöste Konflikt zwischen dem Ausbau der Windkraft und Artenschutz.

Stabile Stromversorgung mit erneuerbaren Energien?

Die Ausbaumengen für Windkraft an Land und auf See sowie für Solarenergie sollen deutlich angehoben werden. Aus den Regierungskreisen hieß es, der Ausbau der erneuerbaren Energien an Land und auf See werde auf ein völlig neues Niveau gehoben, damit die Stromversorgung in Deutschland bereits 2035 nahezu vollständig auf erneuerbaren Energien beruhe.

Bis 2030 sollen mindestens 80 Prozent des deutschen Bruttostromverbrauchs aus Erneuerbaren kommen. 2021 lag dieser Anteil nach Branchenangaben bei rund 42 Prozent.

Habeck hatte im Januar bei der Vorstellung seiner Eröffnungsbilanz gesagt, die Geschwindigkeit der CO2-Emissionsminderung müsse verdreifacht werden, sonst würden Klimaziele etwa 2030 verfehlt.

Das Gesetzespaket sieht ferner vor, dass Stromkunden über eine frühere Abschaffung der EEG-Umlage über die Stromrechnung ab Sommer entlastet werden. Beschleunigt werden soll auch der Bau neuer Stromleitungen, darüber hinaus sind neue Projekte geplant.

Atomausstieg ,,idealerweise" bereits 2030

Stromkunden sollen künftig auch besser vor Pleiten von Versorgern sowie Preissprüngen geschützt werden. Zudem soll die finanzielle Beteiligung der Kommunen, in denen Windparks stehen, verstärkt werden. Damit soll die Akzeptanz vor Ort erhöht werden.

Deutschland steigt bis Ende 2022 aus der Atomkraft aus und in den kommenden Jahren schrittweise aus der Kohle. Die Ampel-Koalition strebt einen Kohleausstieg «idealerweise» bereits 2030 an - das aber hängt davon ab, ob ein schnellerer Ausbau der erneuerbaren Energien gelingt.

Im «Osterpaket» nicht enthalten ist das geplante Ziel, zwei Prozent der Landesfläche für Windenergie zu reservieren. Die Bundesregierung befindet sich dazu in Verhandlungen mit den Ländern. Offen ist, ob die Bundesregierung das Zwei-Prozent-Ziel über Änderungen im Baugesetzbuch verpflichtend vorschreibt.

Die Koalition arbeitet außerdem an einem Klimaschutz-Sofortprogramm. Darin enthalten sein sollen Maßnahmen, um etwa die Energieeffizienz bei Gebäuden zu verbessern sowie um Klimaziele im Verkehr zu erreichen.

Autor:

Nicole Fuchsbauer aus Nürnberg

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