Messerangriff im ICE ++ Angreifer womöglich schuldunfähig
UPDATE2: Messerattacke in ICE: Warum lebte der Täter im Studentenwohnheim?

In dem ICE zwischen Regensburg und Nürnberg hat es am Samstag eine Messerattacke gegeben.  | Foto:  ---/vifogra/dpa
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UPDATE: 8. November 2021
Durchsuchungen auch bei Freunden des ICE-Messerangreifers

Passau/Nürnberg (dpa) - Bei den Ermittlungen nach der Messerattacke im ICE Passau-Hamburg sind neben der Wohnung des Beschuldigten auch zwei weitere Wohnungen in Passau durchsucht worden. Es handle sich dabei um die Wohnungen von Freunden des 27-Jährigen, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth am Montag.

Die Ermittler hatten zunächst allgemein von Durchsuchungen am Wohnsitz des Mannes in Passau gesprochen. Die Wohnung des mutmaßlichen Täters war bereits am Samstag durchsucht worden, auch die anderen beiden Wohnungen wurden laut Staatsanwaltschaft bis spätestens Sonntagmittag durchsucht. Die Ermittler haben nach wie vor keine Hinweise darauf, dass der 27-jährige Syrer Mitwisser, Mithelfer oder Mittäter hatte.

In der Wohnung des Mannes seien ein Handy sowie Unterlagen in Papier- und elektronischer Form sichergestellt worden, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Die gelte es jetzt auszuwerten. Der mutmaßliche Täter wohnte demnach in einem Studentenwohnheim. Er ist aber kein Student. Die Ermittler machten zunächst keine Angaben dazu, warum er dennoch in dem Wohnheim lebte.

Der Mann soll am Samstagvormittag in dem ICE kurz nach Regensburg unvermittelt auf vier Männer im Alter zwischen 26 und 60 Jahren eingestochen haben. Ein Gutachter der Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass er unter einer «paranoiden Schizophrenie» leidet und Wahnvorstellungen hat. Zur Tatzeit wäre er somit nicht schuldfähig gewesen. Islamistische oder terroristische Motive seien nicht zu erkennen, sagten die Ermittler am Sonntag. Die Ermittlungen zu den genauen Hintergründen dauern an.
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REGENSBURG (dpa) - Zwei schwer verletzte Opfer der Messerattacke im ICE Passau-Hamburg sind weiterhin im Krankenhaus, der geständige Tatverdächtige ist jetzt vorerst in einer psychiatrischen Klinik in Regensburg untergebracht.

Die Ermittlungen zum Hintergrund der Bluttat vom Samstag könnten nach Polizeiangaben aber noch Wochen, vielleicht sogar Monate dauern.

Den Ermittlungen zufolge hatte der 27-jährige Syrer im ICE kurz nach Regensburg unvermittelt auf vier Männer im Alter zwischen 26 und 60 Jahren eingestochen. Islamistische oder terroristische Motive seien nicht zu erkennen, sagen die Ermittler am Sonntag bei einer Pressekonferenz in Neumarkt in der Oberpfalz. Zumindest gebe es dafür bisher keine Anhaltspunkte. Am Wohnsitz des Beschuldigten in Passau und bei Angehörigen und Freunden in Thüringen und im Ruhrgebiet habe es Durchsuchungen gegeben.

Täter womöglich schuldunfähig

Der Leitende Oberstaatsanwalt Gerhard Neuhof sagte, ein Gutachter gehe davon aus, dass der Mann unter einer «paranoiden Schizophrenie» leide und Wahnvorstellungen habe. Zur Tatzeit wäre er somit nicht schuldfähig gewesen. Der Haftrichter ordnete deshalb auf Antrag der Staatsanwaltschaft seine Unterbringung in einem Bezirkskrankenhaus an.

Die Ermittler werfen dem 27-Jährigen versuchten Mord in zwei Fällen, versuchten Totschlag und vorsätzliche Körperverletzung vor. Der Mann lebt seit seiner Einreise im Jahr 2014 in Niederbayern, 2016 wurde er als Flüchtling anerkannt.
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UPDATE: «Rennt nach hinten zum Zugende!»

Seubersdorf in der Oberpfalz (dpa) - Als am Samstagvormittag der ICE 928 im Bahnhof der Gemeinde Seubersdorf in der Oberpfalz steht, ahnen die Anwohner schon, dass etwas nicht stimmt. «Als ich den gesehen habe, habe ich eigentlich schon gewusst, dass etwas passiert ist», sagt ein 21-Jähriger, der in der Nähe wohnt. In dem 5000-Einwohner-Ort zwischen Regensburg und Nürnberg halten normalerweise keine Schnellzüge. Der Zug war hierher ausgewichen, Minuten vorher waren darin drei Menschen bei einer Messerattacke schwer verletzt worden. Der mutmaßliche Täter: ein 27-jähriger Mann aus Syrien.

Der Mann wurde festgenommen, viele Details waren aber noch unbekannt. «Die Hintergründe der Tat sind derzeit noch vollkommen unklar», sagte ein Polizeisprecher. Es handle sich offenbar um einen Einzeltäter.

Der Täter hat nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur früher in Syrien gelebt, soll sich seit 2014 in Deutschland aufhalten und zuletzt in Passau gewohnt haben. Die Opfer sind drei Männer im Alter von 26, 39 und 60 Jahren, wie es aus Sicherheitskreisen hieß.

Plötzlich sei die Tür des Abteils aufgerissen worden, es habe eine fast panikartige Flucht in den hinteren Bereich des Zuges gegeben, berichtete ein 77 Jahre alter Fahrgast, der zum Zeitpunkt des Angriffs in einem anderen Waggon saß. «Ein Messerstecher! Rennt nach hinten zum Zugende!», sei gerufen worden. Dann habe er abgewartet, es sei Gott sei Dank aber nichts passiert. Angst habe er nicht gehabt.

Um kurz vor neun Uhr ging unter anderem beim Polizeipräsidium Oberpfalz ein Notruf ein: «Messerangriff auf Fahrgäste», wie Polizeisprecher Florian Beck sagte. Der ICE mit 200 bis 300 Fahrgästen an Bord hielt an dem kleinen Bahnhof Seubersdorf. Ob der 27-Jährige von anderen Fahrgästen oder von Polizeibeamten überwältigt wurde, konnte der Sprecher zunächst nicht sagen.

Das Bayerische Rote Kreuz versorgte die drei Schwerverletzten vor Ort und transportierte sie in Kliniken. Zuvor hatten Ärzte, die unter den Fahrgästen waren, im Zug Erste Hilfe geleistet, wie Passagiere berichteten. Die anderen Fahrgäste wurden in ein altes Gasthaus neben dem Bahnhof gebracht. Feuerwehrleute versorgten sie mit Essen und Trinken, ein Kriseninterventionsteam kümmerte sich um sie. «Jeder war irgendwo geschockt. Der eine mehr, der andere weniger», sagte ein 68 Jahre alter Fahrgast. Nur die wenigsten hätten die Attacke direkt mitbekommen.

Auch der 21-jährige Anwohner hatte ein mulmiges Gefühl: «Es ist schon irgendwie beängstigend, wenn man weiß, dass es so nah passiert ist. Und man fährt ja selber auch mal mit dem Zug in den Urlaub oder zum Flughafen.»

Weil die Lage zunächst völlig unklar war, rückte die Polizei mit einem Großaufgebot an und räumte den Zug. Wenig später konnte sie Entwarnung geben: Es gebe keine Hinweise auf weitere Täter, es bestehe keine Gefahr für die Bevölkerung: «Wir suchen niemanden mehr.»

Die Kripo Regensburg ermittle jetzt in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth, sagte Polizeisprecher Beck. Zeugen würden vernommen.

Bundesinnenminister Horst Seehofer drückte sein Entsetzen aus und rief zur Besonnenheit auf. «Die grausame Messerattacke im ICE ist furchtbar», zitierte ihn Ministeriumssprecher Steve Alter im Kurznachrichtendienst Twitter. Er danke den Einsatzkräften der Polizei und dem Zugpersonal «für ihren mutigen Einsatz». Die Hintergründe der grausamen Tat seien noch unklar und müssten aufgeklärt werden. «Erst dann ist eine Bewertung möglich.»

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte: «Die Polizei arbeitet mit Hochdruck daran, die Hintergründe der schrecklichen Tat und die Motivlage des Täters schnellstmöglich aufzuklären.» Dabei müsse auch geprüft werden, inwieweit psychische Probleme vorlägen.

Bei mehreren Terroranschlägen der vergangenen Jahre hatten die Ermittler hinterher beim jeweiligen Täter sowohl eine extremistische Gesinnung als auch psychische Probleme festgestellt. Beispiele dafür sind der rassistische Attentäter von Hanau und ein Iraker, der im August 2020 auf der Berliner Stadtautobahn mit einem Auto regelrecht Jagd auf andere Verkehrsteilnehmer gemacht hatte.

Die Bahnstrecke Regenburg-Nürnberg war seit dem Vormittag gesperrt. Andere Züge auf der Strecke seien zunächst an geeigneten Bahnhöfen zurückgehalten worden, sagte ein Sprecher der Deutschen Bahn am Mittag. Dann wurde der Fernverkehr über Ingolstadt umgeleitet. Wann die Strecke wieder freigegeben werde, war vorerst offen.

Von Gregor Bauernfeind, dpa

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SEUBERSDORF (dpa) - In einem ICE zwischen Regensburg und Nürnberg hat es am Samstag eine Messerattacke gegeben. Mehrere Menschen wurden verletzt, wie die Polizei mitteilte.

Der Zug stehe derzeit in Seubersdorf im Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz, sagte ein Sprecher der Bundespolizei. Zuvor hatte der Bayerische Rundfunk darüber berichtet.

Laut Polizeipräsidium Oberpfalz wurde der Polizei gegen 9.00 Uhr mitgeteilt, «dass es in einem ICE zu Angriffen auf Fahrgäste kommen soll. Die Polizei konnte kurz darauf eine männliche Person festnehmen. Mehrere Personen wurden nach ersten Erkenntnissen verletzt.» Es bestehe aktuell keine Gefahr mehr. «Derzeit liegen noch keine näheren Erkenntnisse zu den beteiligten Personen vor.» Die Polizei sei mit einem Großaufgebot vor Ort.

Ein Sprecher der Deutschen Bahn sagte, die Bahnstrecke Regenburg-Nürnberg sei seit etwa 9.00 Uhr gesperrt. «Im Moment werden die Züge an geeigneten Bahnhöfen zurückgehalten.»

Die Polizei hält sich mit genaueren Angaben zum Täter und zu den Verletzten noch zurück. Ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberpfalz sagte: «Der mutmaßliche Täter wurde festgenommen. Es gibt keine Erkenntnisse, dass weitere Täter vorhanden sind.» Mehrere Menschen seien verletzt. Über die genaue Zahl und die Schwere der Verletzungen könne er noch nichts sagen.

Aus Sicherheitskreisen hieß es, der Angreifer habe mit dem Messer drei Menschen verletzt. Zwei von ihnen erlitten demnach schwere Verletzungen. Die Messerattacke ereignete sich am Samstag in einem ICE zwischen Regensburg und Nürnberg.

Sprecher von Landes- und Bundespolizei wollten auf dpa-Anfrage keine näheren Angaben zum Festgenommenen machen. Die «Bild»-Zeitung berichtete, er solle «psychisch auffällig sein» und im Zug um Hilfe gerufen haben.

Autor:

Nicole Fuchsbauer aus Nürnberg

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