Unis keine rechtsfreien Räume
UPDATE/Nach Angriff auf jüdischen Studenten: Uni steht eine Kundgebung "Pro Palästina" bevor

Realität in Deutschland: Pro-palästinensische Demonstration am Potsdamer Platz in Berlin-Mitte.  | Foto: Paul Zinken/dpa
2Bilder
  • Realität in Deutschland: Pro-palästinensische Demonstration am Potsdamer Platz in Berlin-Mitte.
  • Foto: Paul Zinken/dpa
  • hochgeladen von Nicole Fuchsbauer

UPDATE: 7. Februar 2024

BERLIN (dpa) - Nach dem mutmaßlichen Angriff auf einen jüdischen Studenten in Berlin steht der Freien Universität (FU) eine Kundgebung unter dem Titel «Solidarität mit Palästina» bevor. Eine Privatperson habe für Donnerstag 100 Teilnehmer vor der großen Unimensa angemeldet, sagte eine Polizeisprecherin. Die Frage, wie die FU mit der angemeldeten Demo umgehen will, ließ die Uni auf dpa-Anfrage zunächst offen.

Die Universität steht von mehreren Seiten in der Kritik, nachdem der 30-jährige jüdische Student Lahav Shapira am Wochenende mit Knochenbrüchen im Gesicht ins Krankenhaus gekommen war. Ein 23-jähriger propalästinensischer Kommilitone soll ihn im Ausgehviertel in Berlin-Mitte geschlagen und getreten haben.


Debatte um Forderung nach Exmatrikulation

Forderungen etwa vom Zentralrat der Juden nach einer Exmatrikulation des Studenten, der seinen jüdischen Kommilitonen verprügelt haben soll, sieht Berlins Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra mit Skepsis. «Es ist ein hohes Grundrecht, das hier betroffen wäre von einer Exmatrikulation», sagte die SPD-Politikerin dem RBB. Exmatrikulationen aus politischen Gründen lehne sie auch grundsätzlich ab.

Wie die FU mitgeteilt hatte, ist nach derzeitiger Rechtslage in Berlin eine Exmatrikulation von Studierenden aus Ordnungsgründen nicht möglich. FU-Präsident Günter Ziegler sagte: «Ich habe den Eindruck, dass wir nachschärfen müssen, zumindest in den Hilfsmitteln, die wir haben. Und dass das, was im Moment besteht, eben ein Hausverbot begrenzt auf drei Monate, möglicherweise für die Situationen, die wir haben, nicht reichen wird.»

Der wissenschaftspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Adrian Grasse, will sich für eine Wiedereinsetzung des Ordnungsrechts starkmachen. Es brauche das Instrument der Exmatrikulation, um jüdische Studentinnen und Studenten zu schützen und deutlich zu machen, dass Antisemitismus an unseren Hochschulen keinen Platz habe.


Wegner fordert harte Strafe

Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) fordert eine schnelle und harte Bestrafung des Täters. «Wir müssen den Hochschulen Instrumente an die Hand geben, damit sie konsequent und schnell handeln können», schrieb der CDU-Politiker auf der Plattform X, früher Twitter. «Wenn dazu eine Änderung des Hochschulgesetzes erforderlich sein sollte, werden wir in der Koalition darüber sprechen.»

Wegner erklärte auf X: «Wir wenden uns in Berlin gegen Antisemitismus und jede Art des Extremismus, unabhängig davon ob er politisch oder religiös motiviert ist.» Der Rechtsstaat werde mit aller Härte durchgreifen.

«Die Hochschulen, in diesem Fall die Freie Universität und ihre Leitung, sind aufgefordert, zu handeln und antisemitische Vorfälle nicht länger zu dulden oder kleinzureden», fügte Wegner hinzu. «Die Hochschulleitung muss Konsequenzen ergreifen, damit jüdische Studentinnen und Studenten sich an der Freien Universität wieder sicher fühlen und ohne Angst studieren können.»

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sagte dem «Tagesspiegel», die Leitung der Uni sei viel zu tolerant und lasse zu viel unkommentiert. Unter anderem eine Hörsaalbesetzung einer Gruppe namens «FU Students for a Free Palestine» hatte im Dezember für Aufsehen gesorgt.

Lior Steiner von der Jüdischen Studierendenvereinigung Berlin sagte dem RBB, sobald Israel das Existenzrecht abgesprochen werde und klar antisemitische Botschaften nach außen getragen würden, habe dies mit Meinungsfreiheit nichts mehr zu tun. Mehrere Studierendenvereinigungen fordern zusammen mit der Jüdischen Studierendenunion Deutschland und dem Jungen Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft unter anderem den Ausschluss und das Verbot antisemitischer und extremistischer Gruppierungen am Campus.


Bundesministerin: Unis keine rechtsfreien Räume

Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) rief Universitäten zu einem konsequenten Durchgreifen auf. Antisemitismus müsse klare Konsequenzen haben, sagte sie dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. «Hochschulleitungen müssen daher von allen ihnen rechtlich zustehenden Möglichkeiten Gebrauch machen.»

Unterdessen ist der verletzte Lahav Shapira im Krankenhaus bestohlen worden, wie sein Bruder, der Comedian Shahak Shapira, auf der Plattform X berichtete. Hinweise auf eine gezielt gegen ihn gerichtete Tat gibt es aber bislang offenbar nicht. «Leider ist es unbefugten Personen gelungen, auf eine eigentlich verschlossene Station zu gelangen und bei insgesamt drei Patienten Eigentum zu entwenden», zitierte die «B.Z.» einen Charité-Sprecher.

+++

BERLIN  (dpa) - Nach dem mutmaßlichen Angriff auf einen jüdischen Studenten der Freien Universität Berlin fordert der Zentralrat der Juden von der Hochschule Konsequenzen. «Wer einen jüdischen Kommilitonen krankenhausreif schlägt, weil er Jude ist, der hat an einer deutschen Universität nichts zu suchen», erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster in Berlin. «Eine Exmatrikulation des betreffenden Studenten ist alternativlos.»

Der 30-jährige jüdische Student Lahav Shapira war am Wochenende mit Knochenbrüchen im Gesicht ins Krankenhaus gekommen. Ein 23-jähriger propalästinensischer Kommilitone soll ihn in Berlin-Mitte geschlagen und getreten haben. Die Polizei hatte berichtet, dass beide zunächst in Streit gerieten, bevor der 23-Jährige den 30-Jährigen plötzlich geschlagen habe. Der mutmaßliche Täter floh zunächst, wurde dann aber ermittelt.

Mutmaßlich antisemitisch motivierter Angriff

Die Freie Universität hatte sich bestürzt über den «mutmaßlich antisemitisch motivierten Angriff» geäußert und angekündigt: «Wenn sich bestätigt, dass der Täter Student der Freien Universität Berlin ist, wird die Hochschule umgehend die möglichen juristischen Schritte im Rahmen des Hausrechts prüfen und gegebenenfalls ein Hausverbot durchsetzen.»

«Eine Exmatrikulation des betreffenden Studenten ist alternativlos»: Josef Schuster.  | Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa
  • «Eine Exmatrikulation des betreffenden Studenten ist alternativlos»: Josef Schuster.
  • Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa
  • hochgeladen von Nicole Fuchsbauer

Zentralratspräsident Schuster betonte: «Die FU Berlin hat die Verantwortung dafür, dass es in ihren Reihen keinen Platz für Extremismus und Antisemitismus gibt. Die Beschwichtigungstaktik und die Ausflüchte der Hochschulleitung müssen endlich ein Ende haben. Wenn der Kampf gegen Antisemitismus ernst genommen wird, müssen antisemitische Straftaten zur Exmatrikulation führen.»

Realität in Deutschland: Pro-palästinensische Demonstration am Potsdamer Platz in Berlin-Mitte.  | Foto: Paul Zinken/dpa
«Eine Exmatrikulation des betreffenden Studenten ist alternativlos»: Josef Schuster.  | Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa
Autor:

Nicole Fuchsbauer aus Nürnberg

Webseite von Nicole Fuchsbauer
Nicole Fuchsbauer auf Facebook
Nicole Fuchsbauer auf Instagram
Nicole Fuchsbauer auf X (vormals Twitter)
following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

26 folgen diesem Profil

Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.